• Willkommen im Forum „NEW HiFi-Classic“.

Chris Rea - blue guitars

Begonnen von rascas, Dienstag, 01.März.2016 | 23:59:32 Uhr

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

rascas

Chris Rea muss ein ziemlicher Sturkopf sein. Anders ist es nicht zu erklären wie es zu einem solchem Spätwerk kommt. Oder will er die ihm zugestandene Chance nutzen und endlich die Musik machen, die ihn immer bewegt hat? So ähnlich argumentiert er. Er sagt, dass seine liebe bei der Musik immer schon der Blues war. Und dass seine frühen Platten eigentlich missverstandene Blues-Platten waren und er "irrtümlich" in die Schublade Schmusebarde gerutscht ist.

Aber der Reihe nach: Seinen frühen Hit "Fool if you think it's over" dem er 1978 seine Misere zu verdanken hat habe ich wenn überhaupt nur am Rande mitbekommen. Zur Kenntnis habe ich Chris Rea genommen als er 1983 I can hear your heartbeat veröffentlichte. Das war auch ziemlich der Startschuss zu seiner grossen Karriere (im für ihn falschem Fach). Es fogten Hit auf Hit bis es Anfang der 90er etwas sehr beliebig wurde. Die grosse Zeit von Chris Rea schien vorüber.

Lieder wie Josephine oder On the beach blieben bei mir nachhaltig haften. Viel neues habe ich nicht mehr erwartet.

1996 erschien das Konzeptalbum Passione, wo es um Ferrari und den Träumen eines Jungen ging. Das,klang interessant war aber recht langweilig (nach meinem dafürhalten).

Also Deckel drauf. Thema durch...

Um 2000 hörte ich dann, dass Chris Rea nicht mehr auftreten könne weil man beim Krebs diagnostiziert hatte und er eine schlimme Therapie durchmachen müsse. Armer Kerl...hat er nicht verdient (aber wer hat das schon?).

2005 hiess es dann, dass er sich zurück kämpft. Es gab eine neue Platte (stony road) und dann folgte ein Projekt namens blue guitars. In Form eines Buches mit mehreren CD's.

Dass er ein ziemlich guter Gitarrenspieler war konnte man erahnen. Dass er ein "abgedrehtes Projekt" nach seiner Gesundung machte sei ihm gegönnt. Was wirklich dahinter steckete habe ich erst später registriert.

Nachdem ich mich zunehmned für Bluesmusik interessierte muss ich irgendwann über blue guitars gestolpert sein.

Chris Rea und Blues? Mich interessierte zu diesem Zeitpunkt die Geschichte des Blues und angeblich erzählte Chris Rea diese anhand von Musikbeispielen.

Blue guitars ist zunächst mal ein so genanntes earbook. Das sind Bücher, die ein Thema "feiern" wo es zusätzlich CD's mit Musik als Zugabe gibt. Ich kenne diese Art Bücher von Stevie Wonder und Ennio Morricone. Beides sehr unterhaltsam. Bei den CD's zu diesen Büchern handelt es sich aber um "best ofs..." Bei blue guitars ist es eigenständiges neues Material. Und Chris Rea malt auch noch dazu...

Meine Erwartung war gemischt.

Das Buch beinhaltet sage und schreibe 11 CD's und 1 DVD. Wow!

Wie soll den da Qualität über 11 CD's verteilt sein und wie soll man das alles auf einmal erfassen? Ein zumindest mal gewagtes Konzept! Aber es geht ja um blues. Warum sich nicht mal darauf einlassen?

Also zunächst mal im Buch geblättert. Lauter Bilder mit blauen Gitarren. Der Name ist also Programm. Weil es halt 11 CD's sind besteht der Text des Buches hauptsächlich aus Inhaltsangaben und Liedtexten.

Due CD's sind nach Themen gegliedert. Da gibt es:

Beginnings
Country blues
Louisiana & Newe Orleans
Electric Menphis blues
Texas blues
Chicago blues
Blues ballads
Gospel Soul Blues & Motown
Celtic & Irish blues
Latin blues
60s & 70s

und besagte DVD.

Rein thematisch macht das schon Sinn sich so durch die story des blues hindurch zu arbeiten.

Erst mal die DVD gecheckt: da sitzt ein sichtlich angeschlagener Chris Rea mit Musiker-Kumpels in Frankreich und spielt und spielt und spielt...

Zwischendurch erzählt er, dass Blues seine grosse Liebe ist und er nach seiner Krankheit nichts anderes mehr spielen will. Alles legitim. Wenn er das so will und sich das auch leisten kann. Warum nicht?

Er hat dann versucht seine Plattenfirma von dem neuem Konzept zu überzeugen. Da kommen dann ein paar Limosinen bei ihm auf den Hof gefahren. Als er denen erzählt, dass er vorhat ein Buch mit 11 CD's auf einen Schlag zu veröffentlichen gehen die Manager mehr oder weniger wortlos.

Also zieht Chris Rea sein Ding (finanziell) alleine durch.

So entstehen Legenden...aber nur, wenn das Ergebniss stimmt.

Also endlich mal den CD's zugewendet. Ich habe mir dann die CD's in der obigen Reihenfolge eine nach der anderen reingezogen.

Bei der ersten CD wird erzählt, wie die Schwarzen in Afrika über den Tisch gezogen wurden (von den eigenen Stammeshäuptlingen verraten und buchstäblich verkauft) und wie es Ihnen in der Sklaverei erging. Da geht es (für mich) weniger um die Musik als um die Geschichte, die es zu erzählen gilt. Ganz spannend gemacht. Aber ob das 11 CD's trägt? Muss es nicht, da es bei den folgenden CD's immer mehr um die jeweilige Musikrichtung geht. Am Schluss ist der CD-Titel nur noch der rote Faden, der sich grob durchzieht.

Jede CD ist für sich. stimmig. Überall gibt es sogar Ohrwürmer, die man gerne öfter anwählt. Die Qualität ist durchweg richtig gut. Handgemachte Musik lohnt sich immer. Hier wiederholt sich nichts. Es gibt an jeder Ecke etwas zu entdecken. Ob das echter Blues ist? Kann nicht! Das ist immer die Interpretation von Blues durch Chris Rea. Seine Stimme ist einfach zu präsent als das man das verleugnen könne. Man kann es trotzdem ernst nehmen und es ist immer glaubwürdig.

Auf der DVD zeigt Chris seine Sammlung von alten (historischen) Mikrofonen. Auf den CD's kann man deutlich hören, dass diese auch zum Einsatz kommen. Das hört sich dadurch sehr analog an, was der Musik durchaus bekommt. Da gibt es Stellen, wo es erst ein Rauschen gibt und dann legt die Musik richtig warm und herzig los. Das ist digital nicht machbar. Das hat richtig Charme.

Ok, an manchen Stellen wird es auch übertrieben. Gerade am Anfang wird bei einigen Stücken das Knistern einer Schallplatte beigefügt. Das hätte nicht überall sein müssen...

Erstaunlich, wie gleichmässig hoch das Niveau auf den CD's gehalten wird! Man muss sich das mal durch den Kopf gehen lassen: da ist ein Künstler, der durch Krankheit geläutert quasi als Therapie ein Stück nach dem anderem aufnimmt. 11 CD's bedeuten bei den meisten Musikern mal locker "Lebenswerk". Hier malt der Künstler nebenbei auch noch etliche Bilder in dieser Zeit. Und die Ergebnisse können sich alle sehen und hören lassen.

Das hat was manisches.

Die Plattenbosse haben Chris Rea prophezeit, dass es für so ein Konzept 5.000 Kunden geben kann. Die verkaufte Auflage war in kurzer Zeit 150.000. Das mal 11 ist eine nicht unbedeutende Zahl an verkauften CD's und war für Rea ein voller Erfolg.

Ich kann für das earbook nur meine volle Empfehlung aussprechen. Es lohnt sich damit zu beschäftigen. Im schlimmsten Fall hat man ein nettes Buch im Regal stehen.

Das Konzept scheint sich für Chris Rea bewährt zu haben. 2 Jahre später hat er etwas ganz ähnliches auf den Markt gebracht:

Das earbook "The return of the fabulous Hofner Bluenotes". Es geht dabei um die fiktive Geschichte einer 60s Musikgruppe, die mit simplem 60s-Pop beginnt und sich zunehmend zu einer ernstzunehmenden Blues-Truppe entwickelt.

Das Buch ist um einiges liebevoller gmacht als blue guitars: da wird eine richtige authentisch wirkende Bandgeschichte erzählt. Tolles Bilderbuch!

Als Beigabe gibt es 2 Schallplatten! Und 3 CD's auf denen die fiktive Bandgeschichte abgefeiert wird.

Musikalisch finde ich das nicht so stringent wie blue guitars. CD 1 (und gleichzietig Material auf den Vinyls) beinhaltet relativ alberne Instrumentals, die bekannte 60s Lieder zitieren.

Titel wie "008 Jimmy Bond" oder "Theme from the pink guitar" lassen schlimmes vermuten. in diese Richtung geht es dann auch...

Ab CD 2 kommt dann wieder Chris Rea's Stimme zum Einsatz und es wird "ernsthafter" Musik gemacht, bis es dann wieder (Chris Rea's Art von) Blues ist.

Wem blue guitars gefällt sollte sich dieses Buch unbedingt dazu kaufen.

Ganz aktuell gibt es ein drittes earbook von Chris Rea: La Passione. Das gab es 1996 schon mal als CD. Diesmal ist es erweitert (2 CD's). Das macht die Musik aber nicht besser. Girl in a sportscar kann man sich (mit Abstrichen) noch anhören. Der Rest ist so la la. Das Buch ist nett (was bekanntlich der kleine Bruder von Sch... ist). DVD 1 ist eine Art Doku über den Film, den es zu Passione geben sollte. Auch nicht so der Brüller. Immerhin sieht man, dass Chris Rea gut geht. Ist bei der Vorgeschichte ja auch schon was wert...

DVD 2 ist eine Dokumentation über Graf Berghe von Trips, einem Formel 1 Fahrer der 60s, der in Monza tödlich verunglückte. Chris Rea veehrt ihn wohl sehr. Dieser Graf hat übrigens das erste Go Kart nach Deutschland gebracht und in der Nähe von Kerpen eine GoKart Bahn bauen lassen. Ein gewisser Herr Schumacher war dort später Pächter und sein Sohn Michael lernte dort Rennen fahren (aber das nur am Rande). Die Doku steht für mich noch aus und darauf freue ich mich. Den Rest der Box kann man haben, muss man aber nicht...

Meine Beschäftigung mit dem Thema nimmt jetzt auch schon komische Züge an... Ich fand es aber erzählenswert. Wenn es jetzt noch jemand lesenswert findet ist alles gut...

In diesem Sinne...

Gruß



Michael