Lieber Gunter,
bevor du das Laufwerk zerlegst, solltest du dich z. B. über die sorgfältige Lektüre des leicht zugänglichen B710-Service-Handbuches mit der Entstehung des B710 befassen. In deinem Fall ist allerdings unklar, ob du einen MKII oder MKI besitzst, also einen mit oder ohne Dolby C; ich gehe einfachheitshalber und bis auf weiteres vom MKII aus. Du würdest dann feststellen, dass es sich beim B710 um ein den Prinzipien der MC angepasstes Bandgerät der B67-Klasse handelt und dass die von dir durchaus unsicher konstatierten Gleichlaufschwankungen 'allein per Aufsichtskontrolle' nach Zerlegung des diesbezüglich auch noch heiklen Laufwerkes ursächlich nicht zu lokalisieren sind. Selbst wenn ich bis heute mit Marino Ludwig (einem der federführenden, menschlich von den Vorgängen bei Studer nach dem Ausscheiden Willi Studers tief getroffenen Konstrukteure) nicht persönlich gesprochen habe, so weiß ich aus seiner Umgebung doch, mit welcher Denkart man im Regensdorfer Haus an die Probleme des Cassettenrecorders heranging, den der Willi übrigens nie in seiner Fertigungspalette sehen wollte. Willi Studer wusste auch ohne viele Worte, warum das so war.
Lägen die von dir vermuteten, auf dem geschilderten optomechanischen Analyseweg 'erkennbaren' Gleichlaufschwankungen vor, müssten sie auf die Tonmotorregelung(en) durchschlagen, also bei der Kontrolle von deren Steuersignalen mit dem Oszilloskop zu erkennen sein. Das sind sie vermutlich auch in deinem Falle nicht, wenn die Lager deines B710 nicht ausgelaufen sind: Der lautlose Betrieb des 710 veranlasste jedoch so manchen Nutzer, seinen 710 notfalls tagelang durchlaufen zu lassen, was wegen des von den Studer-Konstrukteuren keineswegs grundlos vorgesehenen Dauerbetriebs der Tonmotoren bei eingeschaltetem Gerät früher, vor allem aber später zum Auslaufen der hochpräzisen Sinterlager führt(e). Deren Ersatz (grundsätzlich nur gemeinsam mit den zugehörigen Tonwellen) ist möglich, aber keine Heimwerkerarbeit, wenn einem an der Verbesserung des Geichlaufes in Richtung Studer-Spezifikation gelegen ist. Eine Reparatur ist beim einschlägig überaus kundigen, in Deutschland 'praktizierenden' Nachfolger Enzo di Benedettos möglich. Von ihm bezog Enzo nämlich seine neu gefertigten Ersatzteile (Wellen und Lager nach Originalspezifikation).
Das aber wäre lediglich der Extremfall, den ich für deinen B710 zunächst nicht annehme. Es gibt aber zumindest beim 710/MKII einen mir als ehedem professionellem Altnutzer nahezu seit Anbeginn der 710/II-Tage bekannten Mangel, der zu Gleichlaufproblemen führt: Der sehr harte Magnetit der Chrombänder poliert die ab Werk ohnehin polierte, bandgeschwindigkeitsbestimmende rechte Tonwellenoberfläche zusätzlich nach, so dass minimale Einlaufspuren des Bandes auf Welle und Andruckrolle (auch die Bandrückseiten der Cassettenbänder sind extrem kalandriert) ausreichen, das sehr dünne Band, das durch einen geringen Tonwellendurchmesserunterschied rechts gegen links vor den Köpfen des 710 bewusst gespannt wird, beim Transport rutschen zu lassen. Das sind vermutlich genau jene Gleichlaufschwankungen, die du bei kritischeren Signalen (Klavier, Orgel, Cembalo) hörst. Die Gleichlaufabweichungen beschädigter Tonmotorlager wären dagegen so stark, dass über deren Vorliegen keine Unsicherheit bestehen würde.
Studer hat als klassische Firma ständigen Dazulernens dieses Problem natürlich noch zu Verkaufszeiten des 710 zielsicher erkannt und Abhilfe geschaffen: man mattierte die rechte Tonwelle im Bereich des Bandlaufes (und nirgendwoanders!). Das wurde beim Nachfolgegerät B215 zum Prinzip, wie es denn nachzuverfolgen nicht uninteressant ist, in welcher Weise Studer über Jahrzehnte mit der Tonwellenmattierung bei seinen Bandmaschinen umging.
Der B710/MKI hatte das beschriebene Problem nicht oder ggflls. so schwach ausgeprägt, dass es unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle blieb. Er besaß nämlich Andruckrollen größeren Durchmessers, die zu einer vom B710/MKII abweichenden, weniger anfälligen Geometrie zwischen Tonwelle, Band und Andruckrolle führten.
Reinige deine Andruckrollen, tausche sie ggflls., wobei es diejenigen originaler Bauart (Sinterlager) nicht mehr gibt. Das hilft aber nur peripher und nie auf Dauer. Über die Verfahrensweise der von mir bereits temporibus illis (also Jahre vor dem B215) chemisch durchgeführten Mattierung -ich weiß en detail, was Gleichlaufschwankungen sind- habe ich andernorts und vielleicht auch hier im Forum geschrieben, was immer zu Diskussionen führte. Es sollte deshalb möglich sein, die Texte wieder aufzufinden, so dass ich die mir freundlicherweise von offenbar wissender Seite immer wieder vorgehaltenen 'Längen' meiner Texte vermeiden kann. Ich belasse es daher bei den gegebenen Andeutungen.
Hans-Joachim