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Titel: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Matthias M am Freitag, 25.April.2008 | 22:53:57 Uhr
Moin, moin,

nachdem mich vor über einem Jahr eine Kurzvorstellung in einer alten Audio-Ausgabe neugierig gemacht hatte, habe ich nun einen ergattert: Der Körting TA-220 ist da.

(http://mb.abovenet.de/forum2/bildupload/KoertingTA220_04k.JPG)

Das Gerät im Blick blättere ich im zehnten HiFi-Jahrbuch von 1980 und stelle fest, daß es damals kaum einen moderner anmutenden Receiver gegeben zu haben scheint. Und das nicht nur formal: Mit Ausstattungsmerkmalen, wie dem schon vom Verstärker A-100 bekannten ,,Duo-Selector" ist der TA220 zweifellos etwas ganz besonderes. Und dabei ist der Körting anscheinend auch einer der letzten Empfänger-Verstärker aus dem ehemaligen Receiver-Land Deutschland. Grundig baute seine 100mm-Receiver seit 1979 in Portugal. Dual, Wega, Saba, Metz, Loewe, ITT, Nordmende, Siemens, Blaupunkt, BASF und andere verkauften Japanische Technik und nur Schneider, Kirksaeter, Braun und manchmal Telefunken schienen noch hierzulande zu fertigen. Und eben Körting.

Nach dem Ende der Ära Neckermann und der OEM-Fertigung wagten die Grassauer Ende der Siebziger Jahre unter slowenischer Führung mit der modernen Mini-Serie 80x90 einen Neustart. Ab 1979 kam die verbesserte 100, bestehend aus Vollverstärker, Tuner und Kassettendeck (A-100, T-100 und C-100) heraus. Zum Modelljahr 1980 folgten T-101 und die Versionen 102, in der der Vollverstärker einer Kombination aus Equalizer-Vorverstärker (PE-102) bzw. fernbedienbarem Preceiver (PR-102) und Endstufe (PA-102) weichen musste und der Tuner (T-102) nun ein vollwertiger Synthesizer Empfänger zu sein scheint.
Der Receiver TA-220 scheint eine Synthese aus T-102 und A-100 zu sein. Ihm zur Seite stellten die Grassauer das Tapedeck C 220, das weitgehend dem C-102 zu entsprechen scheint.

Der TA220 ist ein formal außerordentlich modernes, äußerlich klar gegliedertes Gerät, das genauso auf die gewohnte analoge Skala, wie auf mechanische Abstimmung verzichtet. Für die Signalisierung der durch Tipptasten eingestellten Funktionen sorgt gleich eine ganze LED-Armada; darunter auch alphanumerische Siebensegment-Anzeigen für Frequenz, Kanal und Speichernummer.

(http://mb.abovenet.de/forum2/bildupload/KoertingTA220_01k.JPG)

Der Synthesizer Tuner wird über einen Sendersuchlauf automatisch oder Tipptasten manuell abgestimmt. Nach einem Tastendruck auf ,,Start" durchsucht die Automatik den Frequenzbereich aufwärts, bis die Antennenspannung die Mutingschwelle übersteigt. Dann verharrt das System für fünf Sekunden und wartet auf Befehle. Wird die Stop-Taste gedrückt, verbleibt der Tuner beim gefundenen Sender, ansonsten durchsucht er den Frequenzbereich weiter aufwärts. Soll der gefundene Sender auf einen der sechzehn gemischt nutzbaren, nicht flüchtigen Festsender-Speicherplätze programmiert, müssen dafür beide ,,Store" Tasten auf einmal gedrückt werden. Mit dieser quasi Sicherheitsabfrage wollten die Entwickler ein versehentliches Überschreiben der gespeicherten Sender verhindern.

(http://mb.abovenet.de/forum2/bildupload/KoertingTA220_06k.JPG)

Antennenspannung und Ratiomitte signalisiert der Körting durch jeweils eine Kette aus fünf LEDs; die Feldstärke senkrecht, die Mittenanzeige waagerecht. Als Stereo-Indikator reicht eine LED.  Das auf UKW-Kanalanzeige umschaltbare fünfstellige Frequenzdisplay arbeitet mit einer Schrittweite von 50kHz.

(http://mb.abovenet.de/forum2/bildupload/KoertingTA220_05k.JPG)

Eine Besonderheit ist die Charakteristik der AFC-Funktion, die angeblich als echte Nachführung über den gesamten Frequenzbereich arbeiten soll, wobei jedoch die Frequenzanzeige keinen Aufschluß über das Treiben der Abstimmautomatik gibt. In einem Test des kleineren Midi-Tuners T-101 durch die HiFi-Stereophonie wurde bemängelt, daß Körtings AFC dazu führen könne, daß sich das System automatisch einen benachbarten stärkeren Sender suchen könne, ohne daß die Anzeige darüber Aukunft gäbe, auf welche Frequenz das Gerät nun tatsächlich abgestimmt sei. Ob dies auch beim Synthesizer-Tuner 102 bzw. 220 der Fall ist, ist mir noch nicht aufgefallen.

Die Endstufe arbeitet mit Hilfe von Philips-Transistoren ganz konservativ. Ansonsten ist auch der Verstärker mit ICs geradezu vollgestopft. Notwendig wird der hohe Integrationsgrad vor allem durch ein außerordentliches Detail des TA220, das auch schon in den Midi-Verstärkern von Körting Einzug gehalten hatte: Der Duo-Selector!
Der Duo-Selector besteht aus zwei Drehschaltern mit jeweils vier Raststellungen für die Quell-Wahl und einer Tipptaste, die für die Umschaltung der Funktionsebene der Wahlschalter zuständig ist. Denn jeder der Wahlschalter kann sowohl als Wiedergabe-, wie auch als Aufnahmewahlschalter dienen. Der Clou liegt in der Kombination. Wenn auch nicht ganz leicht zu ergründen, wie auch schon die HiFi-Stereophonie im Test des A-100 feststellte: ,,...die richtige Programmwahl mit dem Duo-Selector-Schalter und den beiden Drehschaltern Function und Monitor ist eine reichlich komplizierte und undurchsichtige Angelegenheit, die dem Laien auch nach mehrmaligem Lesen der (...) Bedienungsanleitung nicht ganz klar werden dürfte."

(http://mb.abovenet.de/forum2/bildupload/KoertingTA220_07k.JPG)

Vereinfacht gesagt besteht der Duo-Selector aus zwei Quellwahlschaltern, mit denen getrennt voneinander die Aufnahmequellen für die beiden angeschlossenen Bandgeräte gewählt werden können. Der Schalter ,,Function" ist dem Anschluß Tape1, der Schalter ,,Monitor" dem Ausgang Tape2 bzw. Aux fest zugeordnet. Mit Hilfe der Tipptaste Duo-Selector wird die eine oder andere gewählte Quelle zusätzlich an die Endstufe geroutet, so daß das Signal abgehört werden kann. Wenn nun aber nur ein Gerät zur Aufnahme benutzt wird, so kann der ,,freie" andere Quellwahlschalter für die Aufnahmekontrolle eingesetzt werden, indem er auf den aktiven Recorder als Quelle geschaltet wird. Natürlich ist auf diesem Wege auch das Überspielen von einem Bandgerät zum andern in beliebiger Richtung möglich. Die jeweils aktuelle Quelle wird übrigens für beide Schalter getrennt per LED angezeigt. Zudem wird mit den Drehschaltern der Tunerteil des receiver an- bzw. ausgeschaltet: Wenn nicht mindestens einer der Schalter auf der Rastung ,,Tuner" steht, ist der deaktiviert.
Der Körting kann mit maximal vier Quellen betrieben werden: Der Radio-Empfänger ist schon eingebaut; dazu kommen ein Plattenspieler-Eingang (MM) und zwei kombinierte Aufnahme-/Wiedergabe-Anschlüsse
Anscheinend gibt es den Körting übrigens in zwei Generationen. Die erste Ausführung bezeichnet den Anschluß Tape2 – analog zum Vollverstärker A100 - noch als ,,Aux".
Alle Anschlüsse des TA220 sind für DIN-Stecker ausgeführt. Natürlich auch der Kopfhörer-Ausgang (Würfel) und die Buchsen für die maximal vier Lautsprecher, die in zwei Gruppen (A, B, A+B, aus) geschaltet werden können. Neben den üblichen Höhen- und Tiefenreglern verfügt der Körting über einen Balance-Regler, der im herausgezogenen Zustand in den Mono-Betrieb schaltet. Auch der Lautstärkeregler hat zwei Funktionsebenen, für die lineare und die gehörrichtige (Loudness) Pegel-Einstellung.

Die Verarbeitung des Körting ist souverän, macht einen soliden, durchdachten Eindruck, auch wenn z.B. der Lautstärke-Pegelregler vielleicht hätte etwas abgesetzt sein können.
Etwas eigenwillig und sicher nicht ideal gelöst ist die Anschlußphilosophie. Nichts gegen DIN-Buchsen, doch für die Hinterbandkontrolle hätte dem Körting zumindest jeweils eine eigene Buchse gut zu Gesicht gestanden, zumal manch Bandgerät den Wiedergabezweig der DIN-Buchse bei aktiver Aufnahme automatisch abschaltet. Trotz 3-Kopf-Auslegung eines Recorders gibt's dann keine Hinterbandkontrolle mehr am Körting bzw. es kann nur ein Aufnahmegerät angeschlossen werden, weil Tape2/Aux als Monitor-Eingang dienen muß. Auch das Fehlen von Höhen-, zumindest jedoch Rumpelfilter ist angesichts des Plattenspieler-Einganges eher ärgerlich. Ebenso stünde ihm ein MPX-Filter und ein weiterer Hochpegeleingang gut zu Gesicht.
Die AFC-Problematik habe ich ausführlich geschildert. Die Schrittweite der Frequenzanzeige ist sicher nicht optimal. Zumindest beim analogen T101 spreche die Signalstärkeanzeige im genannten Test bei zu niedrigen Spannungen an (voller Ausschlag bei 250µV), so daß die Anzeige zu früh nicht mehr differenziert. Allerdings konnte ich bei meinem Gerät feststellen, daß Ortssender mit dem TA220 schon mit einem Antennenkabel (ohne Antenne) gut und rauschfrei empfangen werden können. Letztlich eine Frage der individuellen Abstimmung. Und die kann man ja auch ändern.
Etwas ärgerlich ist die Schaltfolge des Lautsprecherwahl-Schalters. Logisch wäre: Aus – A – A+B – B. Realisiert wurde: Aus – A+B – B – A, so daß von ,,aus" zu ,,A" immer durch die gesamte Kulisse geschaltet werden muß. Das ist insofern ärgerlich, weil bei jeder Rastung sofort das Relais anzieht.

(http://mb.abovenet.de/forum2/bildupload/KoertingTA220_02k.JPG)

AM / FM Synthesizer Receiver Körting TA-220
Allgemeines:
Empfangsteil
Verstärkerteil

Quelle: HiFi-Jahrbuch 10 (G. Braun c1980)

Alles in Allem kann man sagen: Der Körting ist ein sehr interessantes Gerät. Seine Seltenheit und die eigenwilligen Lösungen machen ihn zu einem faszinierenden Sammlerstück. Wen interessiert da schon, daß er kein ,,Monsterreceiver" ist, keine 100 Watt pro Kanal bietet und nicht aus Japan stammt. Man muß ja nicht jedem Trend hinterher laufen.

Übrigens war der 220 zusammen mit der Midi-Serie 103 das letzte eigene Produkt aus Grassau. Die Serie 104 stammte schon von Toshiba und die 300er waren eher einfache Dutzendwaren-Asiaten. Das Grassauer Werk wurde von Gorenje 1983 für immer geschlossen.

Tschüß, Matthias
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Kappa8.2i am Freitag, 25.April.2008 | 22:59:22 Uhr
Diese Ausführlichkeit...Chapeau  :_good_:
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: aileenamegan am Freitag, 25.April.2008 | 23:01:59 Uhr
Matthias, sehr kurzweilig - gewohnt informativ. Macht Appetit auf einen Körting. Mehr davon (zu anderen Geräten). Chapeau!! :drinks: :drinks: :drinks: :drinks:

Ach ja: Danke .,d040
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: aileenamegan am Freitag, 25.April.2008 | 23:03:00 Uhr
Gleich zweimal Chapeau. War nicht abgesprochen. :_hi_hi_:
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Kappa8.2i am Freitag, 25.April.2008 | 23:04:09 Uhr
Verdientermaßen!
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: fly_hifi am Freitag, 25.April.2008 | 23:06:52 Uhr
Zitat von: Kappa8.2i am Freitag, 25.April.2008 | 23:04:09 Uhr
Verdientermaßen!

joo !!
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: aileenamegan am Freitag, 25.April.2008 | 23:06:59 Uhr
Absolut - und so schnell verfalle ich nicht in Lobhudelei. Eine gelungene Komposition. :_good_: :_good_:
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: rappelbums am Freitag, 25.April.2008 | 23:23:38 Uhr
Danke für den Thread. Angenehm zu lesen und schön ausführlich.
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Mugen am Freitag, 25.April.2008 | 23:27:22 Uhr
gefällt mir auch. Merci  :drinks:
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Lakritznase am Freitag, 25.April.2008 | 23:30:07 Uhr
Toller Bericht, sehr informativ! Einzig vermisse ich (auch wenn es immer etwas subjektiv ist) ein paar Klangeindrücke.
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Armin777 am Samstag, 26.April.2008 | 09:34:07 Uhr
Hallo Matthias,

nur weiter so - erstens hervorragend recherchierte Berichte und dann noch von Geräten, die ansonsten kaum jemand kennt. Mein Respekt!

:drinks:
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Matthias M am Dienstag, 29.April.2008 | 11:59:42 Uhr
Zitat von: Lakritznase am Freitag, 25.April.2008 | 23:30:07 Uhr
Toller Bericht, sehr informativ! Einzig vermisse ich (auch wenn es immer etwas subjektiv ist) ein paar Klangeindrücke.

Moin, moin,

Dank für all' die Blümchen.

Die Frage nach dem Klang mag ich nicht beantworten. Das wäre unfair, denn ich habe ihn nur kurz mit einem Paar KEF Corelli laufen lassen und mit nichts verglichen. Das wäre etwas, was ich mir schon länger - und wahrscheinlich auch für die nächsten Jahre fruchtlos - vorgenommen habe, einmal einen eigenen Testvergleich zu machen :)
Zumindest kann ich sagen, es gibt an dem Körting nichts auffällig Negatives, was ich nicht dem Boxen oder der Aufstellung hätte anlasten können. Genau: Blabla

Tschüß, Matthias
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: aileenamegan am Dienstag, 29.April.2008 | 12:56:17 Uhr
Kannst Du bitte mal ein Foto von den KEF hier reinpflanzen? Die kenne ich gar nicht...
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: Armin777 am Dienstag, 29.April.2008 | 13:07:51 Uhr
Hallo Peter,

dann schau mal hier: http://www.kef-audio.de/history/Hist1970.php (http://www.kef-audio.de/history/Hist1970.php)

:drinks:
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: RvB am Sonntag, 07.Februar.2016 | 11:30:15 Uhr
Hallo , ich greife dieses Thema mal wieder auf. Ich habe dieses Gerät schon recht lange, lief ohne Probleme. Obwohl vielleich gehört das hier nicht her, dann bitte nach "Hilfe" verschieben.
Allerdings hat man hier gleich eine gute Vorstellung vom Gerät.

Nun zum Problem. Die Digitalanzeige vom Tuner schaltet sich nicht immer an. Nach reinigen der Kontakte tw. besser. Allerdings scheint sich das Display über ein Relais auf der Netzteilplatine einschalten. Diese habe ich schon vor längerer Zeit mal gereinigt, da war ich der Meinung die schalten die LS Ausgänge. Vielleicht gibt des da ja noch ein Relais das ich damals nicht bemerkt habe.
Hat jemand einen Schaltplan für dieses Gerät? Unter HIFI Engine ist nichts.

Gruss
Rainer
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: dirk777 am Sonntag, 07.Februar.2016 | 13:39:25 Uhr
Hi,

hab einen handgezeichneten Schaltplan als PDF. Bei Interesse schick mir eine PN.

Gruß

Dirk
Titel: Re: Überraschung aus Grassau - Der Körting TA-220
Beitrag von: RvB am Donnerstag, 11.Februar.2016 | 12:31:11 Uhr
Moin, hat das mit der PM nicht geklappt?
Wenn ich darf hätte ich gern den Schaltplan.

Mail: vonbargen.ek@t-online.de

Danke u. Gruss
Rainer