• Willkommen im Forum „NEW HiFi-Classic“.

Belastet die MM s richtig!

Begonnen von Jürgen Heiliger, Sonntag, 10.April.2011 | 21:39:37 Uhr

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Jürgen Heiliger

Belastet die MM s richtig!
47k können nicht die Antwort aufs Leben, das Universum oder gar alles sein
Von Werner Ogiers (TNT Belgien) im Original


Schließt man ein MM-Abtastsystem an einen Entzerrervorverstärker an, so wird das System grundsätzlich durch einen Widerstand und eine dazu parallel liegende Kapazität abgeschlossen. Dieser Kondensator besteht aus der parasitären Kapazität C der Verbindungsleitung, die üblicherweise um 100 pf liegt, und irgendeiner anderen Kapazität, die entweder Teil der Verstärkereingangsschaltung ist oder vom Konstrukteur als diskreter Kondensator parallel zum Eingang angeordnet wurde. Er kann fest eingebaut (ungut) oder aber variabel gewählt werden (ideal). Wie dem auch sei, der durch den Eingang gestellte Abschlusswiderstand bewegt sich heute üblicherweise im Bereich der bekannten 47 kOhm.

Ich kann nicht sagen, ob diese 47 kOhm als wirklicher Industriestandard aufkamen (das Radiotron-Handbuch von 1952 erwähnt ihn nicht; anscheinend akzeptierte man damals jede Belastung) oder aber sich zur De-facto-Norm entwickelte, als ein Hersteller sie einführte, um in den 1960ern-1970ern seine Abtastsysteme für den Massenmarkt verständlich und nutzerfreundlich zu gestalten. Letztendlich kauft ein verwirrter Kunde nicht; was andererseits nicht auffällt, stiftet auch keine Verwirrung. Die 47er Lösung funktioniert eben, und variable Kapazitäten blieben ohnehin den Verrückten vorbehalten. Zumindest damals.

In der letzten Zeit allerdings war im Internet von alternativen Methoden des Abschlusses von MM-Systemen zu vernehmen. Leute sahen sich veranlasst, vom festgelegten Abschlussverfahren mit 47 kOhm nebst parallelen, variablen Kapazitäten zugunsten variabler Abschlusswiderstände abzuweichen, um zukünftig mit einem Minimum fester Belastungskapazitäten auszukommen.

Dies ist aber ein keineswegs neues Verfahren, denn das erwähnte Radiotron Designer's Handbook von 1952 gibt dazu bereits Hinweise, die das im Händler-Herstellerbereich angesiedelte Audio-Basics Magazin schon 1982 (wieder)entdeckt hatte. Etwa gleichzeitig waren damals auch japanische Geräte mit Belastungspotentiometern in den eingebauten Entzerrerverstärkern auf dem Markt erschienen. (Vgl. das beigefügte Bild des Luxman C12.)

Die aktuelle Wiederentdeckung desselben ,Features' findet Niederschlag auch in verschiedenen Forenbeiträgen (wie www.vinylengine.com/phpBB2/viewtopic.php?t=667&highlight ) sowie Vorgaben, ja Werkzeugen auf den Webseiten von Herstellern bzw. Toningenieuren ( www.hagtech.com/loading.html ), die feststellen, dass für jedes Abtastsystem ein exakt zutreffender Abschlusswiderstand zu berechnen sei.

Dahinter steht die Idee bzw. Theorie, dass ein MM-System im elektrischen Bereich als eine Serienschaltung eines Widerstandes mit einer Induktivität aufgefasst werden kann, deren Werte oftmals bereits vom Hersteller spezifiziert sind. Wenn diese Ersatzschaltung verstärkerseitig durch eine Parallelschaltung eines Widerstandes mit einem Kondensator abgeschlossen wird, bildet sie einen Tiefpass zweiter Ordnung, dessen Dämpfung (oder Überhöhung) durch den Belastungswiderstand *1* bestimmt wird. Man schlussfolgert nun, dass der standardisierte 47-kOhm-Abschluss häufig für deutliche Überhöhungen im hörbaren Audiobereich, beispielsweise zwischen 12 und 15 kHz verantwortlich sei, denen eine nicht minder deutliche Einsenkung des Frequenzganges folgt.

Dazu schreiben die Audio Basics:
Zitat,,Die Betriebseigenschaften ihres Abtastsystems lassen sich in zwei eigene Klassen einteilen:
Dies sind zunächst die rein mechanischen, die den Abtastdiamanten, seine Aufhängung, die mechanische Bewegung nebst Resonanzen, sowie die Resonanzen der Gehäusebauart, den mechanischen, durch Aufhängungshärte, Masse, Länge und Steifheit des Nadelträgers, den Schliff und die Befestigung des Diamanten begrenzte Frequenzgang des Systems und seine anderen mechanisch bedingten Senken, Überhöhungen und Resonanzen betreffen. Es ist das mechanische Wandlungsergebnis des Abtastsystems, das später durch den Tonarm und die Plattentellerresonanzen in ein elektrisches Ausgangssignal transformiert wird.
Die elektrischen Eigenschaften des Abtasters lassen sich daraufhin unter einigen wenigen, sinnvollen Annahmen separat betrachten:
1. Ein ideales Abtastsystem sollte über einen ebenen mechanischen Frequenzgang verfügen.
2. Ein ideales Abtastsystem sollte über einen ebenen elektrischen Frequenzgang verfügen.
3. Es ist nicht gerade wahrscheinlich, dass mechanische Nicht-Linearitäten durch geplante elektrische Nichtlinearitäten ausgeglichen werden können.
4. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass sich mechanische und elektrische Nicht-Linearitäten insoweit ergänzen, als das klangliche Ergebnis des Zusammenwirkens beider Einflüsse schlechter ist als beim Einfluss nur einer Nichtlinearität.
5. Es ist daher darauf zu sehen, dass der elektrische Frequenzgang unabhängig davon so eben wie irgend möglich anzulegen ist, wie wellig der mechanische ausfällt, weil ein Problem allein höchstwahrscheinlich einen geringeren Schaden anrichtet als zwei gemeinsam.
Die elektrischen Eigenschaften eines magnetischen Abtasters sind vergleichsweise einfach zu überschauen ...."

Es liegt nun der Hase dort im Pfeffer, wo in unserer unvollkommenen Welt ein ,sollte' eben kein ,ist' sein kann: Reale Abtastsysteme haben wegen einer Reihe struktureller Resonanzen und Verluste im System selbst und im federnden System Platte eben doch nichtlineare, mechanische Frequenzgänge. Außerdem nützen die Hersteller trotz allem die elektrischen Eigenschaften des Systems in Kombination mit den Abschlussparametern, um ein nicht-ideales, mechanisches Verhalten ihrer Produkte zu kompensieren. Insbesondere MM-Systeme neigen mehr als MCs dazu, dass zwei Mängel einander ausgleichen können, woran wir nicht gleichgültig vorbeigehen dürfen.

Obgleich nun also bestimmte Umstände nahelegen, den Abschlusswiderstand als ein zusätzliches Korrektiv im Entzerrerverstärker zu begreifen, geht der Schluss oder wenigstens die Hoffnung dahingehend fehl, dass eine rein elektrische Optimierung des Systemfrequenzganges auch den gemeinsamen mechano-elektrischen Frequenzgang verbessere.
Dies darzulegen ist Anliegen meines Artikels, für den Computersimulationen ebenso wie Messungen an realen Abtastsystemen vorgenommen wurden, um der Welt der elektrischen Theorie auch die der Praxis gegenüberstellen zu können. Dafür lieh ich mir ein gebrauchtes, aber nicht allzu altes Shure M97xe als typisches Beispiel der MM-Typklasse (obwohl es letzthin offenkundig durch Qualitätsprobleme belastet war; vgl. dazu mein TNT review wie auch kürzlich erschienene Artikel und Mitteilungen von J. Le Surf in HiFi News).

Der Hersteller gibt seine Generatorimpedanz zu 1550 Ohm und seine Induktivität von 650 mH an. Dieses System wurde an meinen neuesten Selbstbauentzerrer angeschlossen, der von mir als kleines Gerät auf größte Flexibilität hin konzipiert worden war. Sein Frequenzgang folgt der RIAA-Kurve mit sehr hoher Genauigkeit; weiterhin besitzt das Gerät einen zwischen 30 und 70 dB kontinuierlich einstellbaren Verstärkungsfaktor *2* sowie Einrichtungen, um ein System mit jeder Kapazität oberhalb 50 pf und jedem Widerstand unterhalb von 100 kOhm belasten zu können. Ideal für unser Experiment.
Sofern wir das M97 in Gestalt eines Ersatzschaltbildes, gemeinsam mit der von Shure empfohlenen Belastung durch 47 kOhm und 250 pf darstellen, erhalten wir folgende Schaltung und den danach aufgetragenen Frequenzgang:

Wir konstatieren einen nahezu ebenen Frequenzgang bis hinauf gegen 10 kHz mit einer kleinen Überhöhung von 0,5 dB bei 8 kHz, aber auch einen starken Höheneinbruch von -4 dB bei 16 kHz und sogar 8 dB bei 20 kHz.
Wird sich nun bei einer Messung ein M97xe aus Fleisch und Blut', belastet mit 47k //250 pf genauso verhalten? Die folgende Abbildung entstammt einer mit 44,1 kHz gesampelten Aufnahme des ein rosa Rauschen enthaltenden Tracks der blauen HiFi News & Record Review Testschallplatte unter Verwendung einer nach 1024 Punkten aufgelösten Fast-Fourier-Transformation *3*.
Oberhalb von 2 kHz gleitet der Frequenzgang auf einen von etwa 6 kHz an um 3 dB niedrigeren Pegel ab und verbleibt dort bis jenseits 16 kHz. Man berücksichtige hierbei, dass auf dieser Testschallplatte den Pegelwerten über 16 kHz nicht vertraut werden darf. Jedoch: Keine Anhebung bei 8 kHz, kein dramatischer Pegeleinbruch oberhalb von 10 kHz.

Offensichtlich erzählt uns das Ersatzschaltbild nur die halbe Wahrheit: So wurde der Pegeleinbruch im mittleren Frequenzbereich nicht vorhergesagt. Überdies muss eine mechanische Resonanz um 12 kHz vorliegen, die den gesamten Hochtonpegel soweit anhebt, dass der abschlussbestimmte Einbruch oberhalb von 10 kHz kompensiert ist.
Nun wollen wir den Abschlusswiderstand verändern, während wir die Parallelkapazität bei 250 pf fixieren. Die obige, simulierte Darstellung gibt die elektrischen Frequenzgänge für Abschlüsse von 47k, 75k, und 100k wieder. Wir erkennen eine ausgeprägte Resonanz um 12 kHz, die beim Abschluss mit 100 kOhm auf etwa + 5 dB anwächst. Nach dieser Überhöhung fällt der Frequenzgang zügig ab. In der ,lebendigen Praxis' zeigt das Abtastsystem aber dieses Verhalten:
Hier finden wir nun tatsächlich um 13 kHz die signifikanten Anhebungen vor, bei denen im 100k-Abschlussfall ein Maximum bei 13 kHz um 0,5 dB über dem Wert von 1 kHz liegt, nicht aber um 5 dB, wie uns unsere Modellrechnung erwarten ließ. Man beachte auch, dass sich der Hochtonbereich bei Belastung mit 250 pf und 75k den Pegelwerten bei 1 kHz annähert. Wir wollen deshalb den Lastwiderstand von 75 kOhm nun als ,besser' im Vergleich zum Standardwert fix zugrundelegen. ,Besser' bedeutet hier jedoch lediglich, dass wir mit
diesem Abschluss einen höheren Hochtonpegel erhalten, an dem es dem M97 von Hause aus fehlt.*4* Variieren wir die Parallelkapazität zwischen 150 und 370 pf, beobachten wir folgendes:
Heben wir die Belastungskapazität an senkt sich die Resonanzfrequenz, gleichzeitig treten die Spitzen stärker hervor. Wird dies den unangenehmen Durchhänger im Bereich des M97-Frequenzganges um 7 kHz ausgleichen?
Der Abschluss mit 75k // 370 pf erweist sich als die 'linearste Lösung, die andererseits nur bis 14 kHz reicht. Die Lösung 75 k // 150 pf offeriert den ausgedehntesten Frequenzgang, dies allerdings zum Preis einer ordentlichen Senke um 7 kHz. Preisfrage: Welche Belastung klingt am besten? Antwort: Es gibt keine ideale Lösung, es gibt keinen Besten Klang. Allein der individuelle Geschmack entscheidet. Dies zeigt, dass jede abgeschlossene Formel dieses Problems zwar auf die beste Lösung verweist, aber bei der schlechtesten in die Irre führt.

  • Zusammenfassung
Während die Anordnung variabler Abschlusswiderstände im Eingang von Entzerrerverstärkern die Frequenzgangoptimierungsmöglichkeiten der Nutzer von MM-Systemen durchaus nützlich erweitert, ist ein allzu puristisches Beharren auf den elektrischen Spezifikationen eines Abtastsystems als Grundlage zum Ausbügeln von Frequenzgangunebenheiten ein fragwürdiger Ratschlag, da sowohl elektrische als auch mechanische Aspekte berücksichtigt werden müssen, um die realen Vorgänge zu erfassen. Dies bedeutet, dass das Abtastsystem zu messen ist, um verbindliche Aussagen über sein Verhalten zu gewinnen, beziehungsweise im Falle ohne Messung anhörend zu akzeptieren, was herauskommt.

Lab rats and stuff
• turntable: Michell Gyro SE with subchassis-mounted Maxon DC motor and DIY 'm:machinery' supply
• tonearm: Rega RB-300 with Incognito wiring and Michell Tecnoweight
• phono preamp: DIY 'KlangwerK'
• signal analysis software: Adobe Audition 1.5
• electrical circuit simulation software: SIMetrix 4.2b
• background music courtesy of: Apple iTunes, Terratec Phase 26USB, Fostex PM0.4 active monitors
• furniture: cheap IKEA office chair

© Copyright 2008 Werner Ogiers - www.tnt-audio.com.

Zitat von: Anmerkung © Phonomax

*1*Er ist natürlich komplex, also frequenzabhängig!

*2*Dieser Einstellbereich von 40 dB verändert wahrscheinlich (ich kenne die Schaltung nicht) bereits den Eingangswiderstand des Verstärkers so deutlich, dass dies in dem ein oder anderen Falle Folgen haben wird, die ihrerseits aufmerksam beobachtet werden sollten.

*3*Sollte das Rauschen auf der verwendeten Testschallplatte wirklich ein rosa Breitbandrauschen (auch 1/f-Rauschen genannt) sein, so ist dessen Amplitudenverteilung über die definierte Bandbreite per se nicht pegellinear, sondern fällt mit 3 dB pro Oktave, wovon in obiger Darstellung durchaus Spuren nachzuweisen sind: Vgl. den Abstieg zwischen 2000 und 4000 Hz. Man kann diesen standardisierten Abfall zwar problemlos kompensieren –wovon die Messtechnik alltäglich Gebrauch macht-, allein Ogiers erwähnt das mit keinem Wort. Überdies verunsichert, dass das für die FFT verwendete Programm (Cool Edit/Adobe Audition 1.5) in der genutzten Version dieses Korrekturfeature nicht anbietet, es also mit den internen Filtern nachgebildet werden müsste. Sollte also das Rosa Rauschen auf der Platte nicht linearisiert sein, muss man den Aussagen Ogiers' mit gewisser Zurückhaltung begegnen. In diesem Falle jedoch befände sich auf der Platte kein rosa, sondern ein weißes Rauschen.

*4* Vgl meine Fußnote oben zur Problematik des rosa Rauschens in Ogiers' Betrachtung. Linearisieren wir nämlich die Frequenzcharakteristik des rosa Rauschens, so erhalten wir sehr genau die Frequenzgänge der Simulation....

Übersetzung und Kommentare: Hans-Joachim Röhrs, München





Hi Jungs hier noch einige Worte und Bilder von unserem Udo zu dem Thema.....

ZitatHallo zusammen,

gestern haben sich 2 mutige AAA Freunde getruat mich in meinen halbanalogen "Saustall" (-> O - Ton meier lieben Frau) zu besuchen.


Das hat mich sehr geferut, denn wir hatten einen sehr schönen Nachmittag und Abend miteinander und haben ein paar Kleinigkeiten ausbrobiert.


Johannes hatte noch einige seiner schönen Röhren Selbstbauten mitgebracht (habe ich leider nicht fotografiert). Er steht hauptsächlich auf minimalistischen Signalweg, die Geräte eine Endstufe und eine RIAA MM Vorstufe sahen sehr gut aus, wir haben sie nicht ausprobirert, da die Unterhaltung im Vordergrund stand.
Wohl aber haben wir meinen alten Lenco L 78 mit Shure V 15 -III E gegen einen Thorens TD 125-II ansatzweise gehört und uns nochmals mit der Wiedergabe vom 1 kHz Rechtecksignalen von der Audio Soundcheck Test-Platte befasst.

Der Revox B 795 mit AT OC 9 gibt dieses  Signal nach dem MC ELAC MC 21 Pre Pre (R i = 200 Ohm) folgendermaßen wieder:



zunächst noch kein Rechteck , (eher gedämpfte harmonische Schwingung...)

dann aber nach der RIAA Vorstufe vom Revox B 251:



das sah schon ganz orderntlich aus.

Und weil es alles grad so schön aufgebaut war, haben wir auch noch einmal den Thorens TD 125-II mit SME 3009-III und Shure V 15 VxMR "auf den Zahn gefühlt".

Mit Ci = 450 pF am B 251:



dto mit 300 pF Ci:


und mit 150 pF Ci:


Die Oszillogramme zeigen schon ein paar kleine Unterschiede; diese kann man auch hören, hauptsächlich die Hochtonwiedergabe wird mit zunehmender Kapazität transparenter.

(Man besachte bitte, dass meine Angaben die Kapazitäten des Toarmkabels und des Anschlusskabels noch hinzugezählt werden müssen ! )

Für mich eine Klasse Gelegenheit wieder einmal ein paar neue Anregungen zu bekommen.

Vielen Dank für Euren Bersuch !


Beste analoge Grüße,
Udo (DL 8 WP)
Gruß
Jürgen

>.... liebt den guten Ton und die Musik ....<
>.... die HiFi-Classiker und die Information ....<
Unsere WIKI
Skype: juergen_heiliger

Jürgen Heiliger

Und hier noch die Ergänzungen von Hans-Joachim zu diesem Thema......

Zitat von: PhonoMax am Donnerstag, 23.Juli.2009 | 19:49:20 Uhr
Über den obigen, neben ein paa Fehlern an sich recht verdienstvollen Anriss eines interessanten und in der Audiotechnik erheblich weiter verbreiteten Problems haben Jürgen und ich schon mehrfach diskutiert, weshalb es ja auch zu der obigen recht wörtlichen Übersetzung kam. Ich entschied mich dafür, damit man Werner Ogiers nicht am Zeug flickt, wo dies nicht selbstzweckartig gemeint sein kann oder versucht werden sollte.

Das thematisierte Problem ist die sinnvolle, also den Absichten des Konstrukteurs erfolgende Belastung eines relativ hochohmigen, induktiven Generators (wie dyn. Mikro, Elektrogenerator), den das MM-System darstellt. Das MC ist zwar auch einer, aber in der Mehrzahl der Fälle (im Hinblick auf die Probleme des MM-Systems) denkbar unkritisch: Die Mehrheit der MC-Systeme ist extrem niederohmig  (Generatorwiderstände unter 5 Ohm), was eigene Probleme schafft, die sich aber zumindest zwischen System und folgendem Aufwärtsübertrager nicht auswirken können. Sie werden erst hinter dem Aufwärtsübertrager (also zum RIAA-Korrekturverstärker hin) u. U. problematisch. Und dann praktisch ebenso wie beim MM-System, denn auch der Übertrager ist als Sonderfall eines induktiven Generators anzusprechen. Das heißt, wir machen bei Übertragern mehr oder minder (das bestimmt sich aus seiner Bauart) ähnliche Beobachtungen.
Dies gilt in der Regel nicht für Ausgangsübertrager, weil diese in professionellen Geräten (dort suhlt man sich ja im Übertragertheater) schliicht zu groß ausfallen und zu niederohmig betrieben werden, wohl aber bei Eingangsübertragern. Da ist das Problem sogar besonders 'reizvoll', weil die nachgeschalteten Mikrofonstufen in der Empfindlichkeit umschaltbar sind, was de facto nie ohne Veränderungen des Eingangswiderstandes des den Übertrager belastenden aktiven Verstärkers einhergeht. Der Übertrager muss diese Behandlug also verdauen, ohne darauf mit Fehlern in Frequenzgang und/oder Klirrfaktor zu antworten.

Eine richtige Belastung eines induktiven Generators verordnet diesem einen recht linearen Freqeunzgang und einen bauartbedingt hinreichend niedrigen Klirrfaktor. Sündigt man da, geht diesbezüglich allerlei daneben. Die Übertragung tiefer Freqeuenzen beantwortete man im Übertragerbau traditionell mit einer ziemlich großen Eisenmasse, der aber wieder oft (Raum-)Grenzen gesetzt sind (Mikrofongehäuse, transportble Mischpulte etc.).

Diese Lösung möglichst großen Eisenvolumens gehört aber zu den traditionellen Faustformeln, weil alternative Lösungen lange nicht denkbar erschienen. Paul Zwicky von Studer, der leidenschaftlich und schließlich virtuos mit negativen Ausgangsimpedanzen arbeitete, erhielt ein Patent auf seine Übertragerschaltung für die Studer-Pultserie 900 (also vom 961 aufwärts), in dem er das eigentliche Problem so von der Wurzel her bekämpfte, dass diese transformatorgekoppelten Eingänge bei galvansicher Trennung auch Klirrfaktorwerte erreichten, die man 'sonst' nur von übertragerlosen Eingängen her kannte, die aber andere Nachteile aufweisen.

Das, was uns bei den MM-Systemen und ihrem Abschluss begegnet, gehört also zu den durchaus zentralen Problematiken der analogen Technik, solange diese eine galvanische Trennung (bei Mikrofonsignalen gibt es noch ein anderes Phänomen, das in Grenzen für den Übertrager spricht) favorisierte.
Ich habe dazu durchaus instruktives Material, das auch die Hörerlebnisse mancher Zeitgenossen beim Umgang mit MM-Systemen und Korrekturverstärkern illustriert. Dies hat dann allerdings nicht mit 'besser' oder 'schlechter' zu tun, sondern mit richtigem und falschem Umgang. Dass die Industrie den Liebhabern (bei Profis endet so etwas schneller im Schlagabtausch mit gegenseitigen Drohgebärden) dabei nicht immer glückliche Wege wies, na ja, das ist eben ein einer der Unterschiede zwischen diesen und dem Laien, den man leichter für dumm verkauft (wenn es dem Geschäft dient).

Für Jürgen oder Interessenten, die den SwissSound vom Studer-Server geladen haben:
Im SwissSound, der aufgrund einer 'Ideenintervention' Paul Zwickys immer Berichte aus der Konstruktionspraxis für den Kunden aufbereitet enthalten sollte, beschreibt Zwicky im Heft 35 ultrakurz die Entstehung seines Wurfes. Ganz so einfach lief es aber nach seinem ureigenen Bekunden damit allerdings nicht. Er hatte als erster und einziger auf diesem Terrain wohl mit allerhand Durststrecken zu kämpfen:
"Man durfte Willi Studer nicht zu früh von dem erzählen, was man tat."
Der zürichdeutsche Bedenkenträger und notorische Sparfuchs trat sonst allzu leicht auf dei Finanzbremse.

Hans-Joachim
Gruß
Jürgen

>.... liebt den guten Ton und die Musik ....<
>.... die HiFi-Classiker und die Information ....<
Unsere WIKI
Skype: juergen_heiliger

Jürgen Heiliger

#2
Grund für die Veröffentlichung der Beiträge, wobei die Idee dazu schon lange in der Schublade lag, war eine Unterhaltung die ich am Samstag auf einem Stammtisch eines Nachbarforums führte.

Dort wurde nach einem Weg gesucht wie man die richtige Kapazität und den richtigen Belastungswiderstand für Tonabnehmersysteme findet und dies auch dann mittels Testsignalen überprüfen kann.

Da wie auch schon von Hans-Joachim angemerkt der Weg über Rosa, bzw. Weißes Rauschen stark fehlerbehaftet ist habe ich mir einen eigenen Weg gesucht.....
Auf vielen test-/Messplatten befindet sich ein Sinuston als Sweep angelegt der von 20 Hz bis 20 kHz reicht und mit gleichbleibendem Pegel (nach Phonopre und Entzerrung verständlicher Weise) geschnitten ist, bzw. mit gleichbleibendem Pegel wiedergegeben werden sollte. Natürlich bedarf es dazu ebenfalls eines Phonoeingangs / -pres der möglichst eng die Entzerrkurve einhält. Eine Genauigkeit ± 0,5 dB sollten es zumindest schon sein.

Ich nutze dazu eine Selbstbauschaltung aus der Elektor der Anfang 80er den ich dahingehend modifiziert habe dass er per Stufenschalter sowohl im Eingangswiderstand und auch in der Kapazität anpassbar ist. Als Prüfinstrument für die Pegelgleichkeit nutze ich ein RTW-1119G welches eine "Auflösung" von 0,25 dB im Bereich von -10 bis + 5 dB hat und somit für eine Beurteilung genau genug mir ist.
Vorteil diesen RTWs ist es dass ich es immer als Aussteuerungsanzeige innerhalb meiner Anlage angeschlossen ist und somit immer zur Verfügung steht.
Natürlich kann man den Pegel auch mittels eines NF-MilliVoltMeters machen...... Hat man eine großflächige VU-meter Anzeige, die nicht Frequenzgang Korrigiert ist so dürfte diese auch fein genug auflösen um die Pegeländerungen im Frequenzgang sauber eruieren zu können.
Denn auf die Pegeländerungen im Frequnez Bereich 20 Hz bis 20 kHz kommt es an...... man sollte also versuchen einen möglichst linearen "Frequenzgang" hin zu bekommen mit der Wahl des Abschlusswiderstands für den Tonabnehmer.
Gruß
Jürgen

>.... liebt den guten Ton und die Musik ....<
>.... die HiFi-Classiker und die Information ....<
Unsere WIKI
Skype: juergen_heiliger

Bjoern

Hallo Jürgen,

ich finde Du hast ein sehr interessantes Thema mit deinen Posts angeschnitten. Wie ich Dir bereits per PM mitteilte, erstaunt es mich sehr, dass ein aktuell erhältlicher Shure-Tonabnehmer bei einer anderen Belastung als diese 47 K Ohm besser funktioniert. Bei Uralt-Tonabnehmern könnte ich es evtl noch nachvollziehen, aber bei aktuellen? Der erste Text sagt es selbst: Anno 1952 hat noch niemand von 47K als Standard gesprochen, heute im Jahre 2011 haben die Phoostufen nun mal 47K Ohm Anschlußwiderstand; wann letztendlich die 47K zum Standard wurden und wann nicht ist nebensächlich. Jedenfalls sollte man doch meinen, dass die Hersteller sich die 47K Ohm zu Herzen nehmen und die TA daraufhin optimieren.
Vielleicht bin ich auch etwas naiv und stelle mir das alles zuu einfach vor, allerdings lassen sich die Hersteller ihre Tonabnehmer auch gut bezahlen.
Mein technisches verständnis sagt mir, dass ich einen Widerstand erhöhen kann, in dem ich einen zweiten Widerstand in Reihe schalte. Um aus den serienmäßigen 47K meiner Phono-Pre also 100K Ohm zu machen, müsste ich 53 K-Ohm vorschalten. So oder so ähnlich scheinst Du es mit Deiner Elektor-Selbstbauschaltung auch gemacht zu haben?

Ein paar weitere Details hierzu wären schön. Evtl könnte man soetwas kostengünstig herstellen...?! Wäre doch schön wenn auch so "Halbwissende" wie ich mit geringen Mitteln etwas mehr aus ihren tonabnehmern kitzeln könnten! Vielleicht muss es nicht immer ein neues System sein...


Viele grüße
  Björn
Sansui 5050, Kenwood TK40L, Sony STR-414L, Marantz SR 5001, Pro-Ject Phono-Box SE, Pro-Ject Debut III, Thorens TD 126 MKIII. m Ortofon MC 20, Lenco L75, MB Quart QL S 20

Jürgen Heiliger

Hallo Björn,

im Prinzip ist sowas leicht zu realisieren...... man nehme einen 2-Ebenen Stufenschalter (mit so vielen Stufen man halt haben will) und setze ihn an Stelle des eigenlichen Eingangswiderstand in der eigentlichen Schaltung ein......
Im Stufenschalter selber sitzen die Widerstände in Reihe und bei mir sieht diese Widerstandreihe folgend aus.....
Widerstandsanpassung (Ohm) Achtung die Werte unter 1kOhm sind für den An-/Abschluss von MC Tonabnehmern gedacht
nominalReffektiv
222222
502749
10051100
250150250
500249499
1000499998
220002100021998
330001100032998
470001400046998
620001500061998
820002000081998
1000001800099998


Gleiches gilt natürlich auch für die Kapazitätsanpassung...... hinzukommt dann noch die Kapazität der Kabel zwischen Tonabnehmer und Phonoeingang per Adition.

47p
68p
100p
150p
220p
470p
Gruß
Jürgen

>.... liebt den guten Ton und die Musik ....<
>.... die HiFi-Classiker und die Information ....<
Unsere WIKI
Skype: juergen_heiliger