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Grundsatzfrage: Kann man ME-/Reineisenkasetten mit "nur" CrO² Tapedecks nutzen?

Begonnen von Jürgen Heiliger, Donnerstag, 21.April.2011 | 14:57:27 Uhr

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Jürgen Heiliger

Hallo Jungs,

in einem der Nachbarforen fand ich dieser Tage eine an sich interessante Fragestellung die ich Euch nicht vorenthalten will......

Gesetzt den Fall man hat ein Tandberg TCD-340 Cassettendeck, welches von Hause auch nur für folgende Bänder geeignet war......
Normalband/Ferrooxyd = Typ I; Chromdioxyd = Typ II; Ferrochrom = Typ III
..... und bekommt dann zu kleinen Konditionen einen Stapel Reineisen/Metallcassetten = Typ IV.
Kann man diese so ohne weiteres denn auf diesem Deck nutzen?

Wiedergabeseitig selbstverständlich, denn die Entzerrung für Typ II und Typ IV Bänder ist gleich. Jeweils 70 + 3180 µs.
Somit wären auch die Vorraussetzungen gegeben.

Aber wie ist das bei der Aufnahme? Welche Schwierigkeiten habe ich da gegebenenfalls zu erwarten?

Von der Seite der Entzerrung keine, denn auch da sind sie gleich, also 70 + 3180 µs.
Aber wie sieht es mit dem Vormagnetesierungestrom aus?

Genau da müssen wir einmal näher hinsehen...... und mehr differenzieren......

will man neue Typ-IV Bänder bespielen oder schon bespielte auch überspielen.
Denn die Typ-IV Bänder haben eine andere Koerzitivfeldstärke* als Typ-II Bänder.

  • (Koerzitivfeldstärke (veraltet Koerzitivkraft) Beim Magnetband der wichtigste magnetische Kennwert, da er wesentlich den => Arbeitspunkt bestimmt. Die K. von Eisenoxidbändern liegt zwischen 25 ... 29 kA/m (kilo-Ampere pro Meter), die kobaltdotierter Eisenoxid- und Chrom-dioxid-Tonbänder zwischen 36 ... 52 kA/m, Videobänder ca. 50 kA/m, Metallpigmentbänder ca. 80 kA/m. Grundsätzlich sind Magnetbänder umso besser für die Aufzeichnung kleiner Wellenlängen geeignet, je höher die K. ist.
    Also vereinfacht auch gesagt je höher die Koerzitivfeldstärke ist desto höherer Lösch-/Vormagnetesierungsströme bedarf es um ein einmal aufgenommenes Signal wieder zu egalisieren, bzw. zu löschen.)

Der Löschoszilator, in diesem wird ja nicht nur der Wechselstrom für den Löschkopf erzeugt, sonderen auch der HF-Vromagnetesierungsstrom, der ja nun teilweise auch am Aufnahmekopf anliegt, bedarf da einer genaueren Untersuchung. Genauso der eigentliche Löschkopf.
Aber warum denn nur fragt sich so manch einer...... Ganz einfach, die Typ-IV Cassette benötigt einen höheren Strom damit eine schon mal bespielte Cassette auch wieder komplett gelöscht werden kann.
Und was bedeutet wieder höherer Strom, ...... ganz einfach dies muss die Schaltung des Löschoszilators erst einmal wieder hergeben können und der Löschkopf durch diesen höheren Strom nicht überhitzt werden.

Und an dieser Stelle möchte ich das Wort an Hans-Joachim übergeben der Anhand der Schaltung des TCD-330/340/440A, die beiden letztgenannten waren ja Weiterentwicklungen des TCD-330,

einmal sich Dankenswerter Weise genauer angesehen und seine gewonnenen Eindrücke hier wiedergeben wird.
Gruß
Jürgen

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Nun ja,
lieber Jürgen und liebe Mitleser,

leider hängen die Trauben auch hier etwas höher als es uns lieb ist. In die so genannte Entzerrung -aufnahmeseitig wäre angemessener von linearer Vorverzerrung zu sprechen- neben allgemeinen Voraussetzungen ( z. B. 'Amplitudenstatistik') natürlich auch Bandmaterial,  Kopfkonstruktion, ein für Kopf und Bandmaterial nötiger Hf-Pegel und -Freqeunz, Spaltbreite und noch einige andere eher periphjere Dinge ein, um -und jetzt wird's wesentlich- auf dem Band einen normierten Amplitudengang über der Frequenzachse zu erzeugen. Eben dieser "Amplitudengang" ist die Frequenzkurve, die wir per Jargon im Cassetten-Fall mit 3180+70 (IEC II und IV) bzw. 3180+120µs (IEC I) als "Entzerrung" bezeichnen.
Dies hat demnach nur sekundär mit dem dem zu tun, was wir in der Schaltung eines in Diskussion stehenden Gerätes aufnahmeseitig zur erforderlichen Verbiegung des Aufnahmefrequenzganges vorfinden, weil die Schaltungen natürlich unter Berücksichtigung obiger, teils sehr individueller Parameter so ausgelegt werden müssen, dass eine normgerechte Aufzeichnung auf dem Band (normgerechte Magnetisierung des Bandes) erzielt wird.

Ab Band haben wir dann genormte Verhältnisse, so dass eine normgemäße Aufzeichnung mehr oder weniger auf allen dieser Norm entsprechenden Fremdgeräten ein identisches Verhalten zeigt.

Reineisenbänder unterscheiden sich von ihren Chromdioxidgeschwistern, man muss also etwas eigenes tun, um die normgemäße Magnetisierungskurve ("Amplitudengang über der Frequenz") auf dem Band zu erzielen. Die Koerzitivität von Reineisenbändern liegt noch über der von Chromdioxidbändern; sie sind magnetisch härter, setzen der Ummagnetisierungen einen größen Widerstand entgegen, weshalb sie mit weiter erhöhter Gewalt in uns genehme Bahnen gezwungen werden müssen: Vormagnetisierungsstrom und Löschleistung müssen generell (VM) bzw. möglicherweise (Löschleistung) erhöht werden. Weiterhin ist eben die aufnahmeseitige Aufsprechverzerrung geräteindividuell ein wenig zu verändern.

Neuere Gerätekonstruktionen der Cassettenrecorder-Front besitzen in der Regel auch ohne Reineiseneinrichtingen ausreichende Löschleistungen, um die "magnetisch harten" Aufzeichnungen auf Reineisenbändern spezifikationsgemäß zu löschen. Schwieriger wird es bei der Anpassung der Hf-Vormagnetisierung, wo ähnlich wie bei der Frequenzkorrektur im Aufzeichnungspfad in der Regel Änderungen erforderlich sind. Man kann aber natürlich auf dem Einmesswege ausprobieren, ob man mit Vormagnetisierung (Delta 10kHz...) und ggflls. existierendem Höhenequalizer einen zufriedenstellenden Frequenzgang 'herbekommt'. Wenn nicht, müsste z. B. unter Verzicht auf IECI modifiziert werden, was oftmals möglich ist. Ich habe bei meinem ohnehin massiv umgebauten Revox-B710/II schon zu klassischen Cassettentagen die Reineiseneinrichtung zugunsten einer Verwendung mit einem auf Knopfdruck anzuwählenden zweiten Chromdioxidbandtyp aufgegeben... 


Bei Tandberg kann man die Entstehung der Reineiseneinrichtung zwischen TCD 340 und TCD 440 sehr schön verfolgen: Oszillatortrafo und grundsätzliche Schaltungsanlag blieben praktisch gleich, es kam neben einem grundsätzlichen 'Aufräumen', das wohl auch durch die größere Stabilität des im Detail veränderten Hf-Oszillators bedingt ist, lediglich eine dritte Wahlstufe für den Vormagnetisierungs- und den Audiopegel sowie die Aufsprechverzerrung hinzu. Die Anschaltung der Löschanlage (vermutlich unter Einschluss des Löschkopftyps) blieb völlig gleich, reichte also auch für Reineisenbänder aus.

Wer also einen (Dreikopf-)Cassettenrecorder besitzt, der nur IECI und IECII kann, mit der Einmessung der Geräte keine unüberwindlichen Schwierigkeiten hat, sollte sich durchaus eingeladen fühlen, bei Aufnahme unter IECII ein Reineisenband zum Leben zu erwecken. Gegebenenfalls lässt sich das ganz gut so hinbiegen, dass die Ergebnisse einer Reineisenaufnahme mit den sonstigen Gerätespezifikationen harmonieren. Den Umbau eines IECI- oder IECII-Aufnahmezweiges auf IECIV würde ich heute unter keinen Umständen mehr auch nur in Erwägung ziehen.

Wiedergabeseitig darf bei normgemäß angefertigter Reineisenaufzeichnung unter IECII per definitionem sowieso kein Problem bestehen.

Hans-Joachim