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Eine weitere A77 im Club

Begonnen von Ambix, Freitag, 28.Juli.2017 | 16:22:38 Uhr

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Ambix

Hallo zusammen,

es ist mir tatsächlich gelungen, eine defekte A77 MKIII für eine gute Flasche Wein abzustauben, so dass ich nach knapp 30 Jahren endlich wieder eine A77 besitze. Nachdem ich die letzten Tage die Unmengen an angebotenen Informationen und Foren gesichtet habe, würde ich mich gerne final bei Euch niederlassen - wenn's recht ist  :_hi_hi_:

Ich weiß leider nicht, wie Ihr alle so schön scharfe Fotos hinbekommt, meine Kamera (oder ich) schafft das nicht - also will ich den Zustand mal verbal beschreiben, denn an dieser A77 ist reichlich gebastelt worden:

Der originale 220V Anschluß wurde durch einen Standard Kaltgerätestecker ersetzt und dabei auch die Stifte am Gehäuse totgelegt. Ist ein Frevel, ja, aber doch zu praktisch um es wieder rückzubauen. Und ich bin's ja nicht gewesen...
Jedoch lag genau hier der einzige echte Defekt: Das Kabel innen war mit Kabelschuhen am Kaltgerätestecker befestigt und einer ist abgerutscht. Sowohl unschön als auch gefährlich, also musste ich gleich zu Anfang zu Lötkolben und Schrumpfschlauch greifen.

Die Köpfe sehen aus wie neu. Kein Abrieb, kein Schmier, keine Kratzer, der Spiegel ist höchstens 3mm. Soweit ich das beurteilen kann, ist an keiner Justierschraube gedreht worden.

Die playback Platinen sind mit Japan 2Nxxx Transistoren bestückt, die Kondensatoren sind noch original - man sieht sehr deutlich, wo der Hobbylöter Hand angelegt hat. Dafür sind bereits überall Piher Trimmer drin.

Die Distanzscheiben am Bandeinlauflager fehlen, dafür wurden ein paar Lagen Tesa :shok: zurechtgeschnitten. Der Bandauslauf ist ebenfalls mit einer Lage Tesa verbreitert und konsequenterweise ist auch die Andruckrolle mit Tesa zentriert.

Ganz wüst: Mitten in die Frontplatte ist ein zusätzlicher Schalter reingebohrt. Dieser Schalter legt das Ch1 Signal des Aufnahmekopfes auf den Playback Verstärker. Ch1 des Wiedergabekopfes ist dann tot. Wozu das gut sein soll ist mir noch nicht wirklich klar. In welcher Situation möchte man den Aufnahmekopf als Wiedergabekopf missbrauchen??? Die Kabel vom Aufnahmekopf sind noch original, der Wiedergabekopf ist mit grauem Mikrofonkabel im 70er Jahre Look verdrahtet.

Die Capstanwelle sieht komisch aus: Beginnend vom Motor ist die Welle einige Millimeter blank, ab da wirkt sie wie sandgestrahlt. Sähe schon fast wie ab Werk aus, wenn nicht im Bereich der Bandberührung die Welle stellenweise schon wieder blank wäre. Die Welle hat ein axiales Spiel von 0,3mm.

Elektrisch scheint alles zu funktionieren, bis auf eine Sache: Ist Volume voll aufgedreht, beginnt der äußere playback Verstärker mit konstanten 100kHz und maximaler Amplitude zu schwingen. Bei Volume 8 und leiser hörts auf. Ein Tausch der Platinen brachte keine Änderung. Ich habe auch mal alle anderen Platinen (insbesondere den Oszillator) rausgezogen, keine Änderung. Im Moment rechne ich einfach fest damit, dass das mit dem Rückbau auf BC108/109 wieder verschwindet.
Ganz interessant finde ich, dass dieses Schwingen keinen hörbaren Einfluss auf den Klang hat. Im Gegenteil, ich habe das Schwingen erst bemerkt, während ich rauskriegen wollte, warum der eine (schwingende) Kanal beim Aufdrehen der Lautstärke plötzlich weniger rauscht! Nicht viel weniger, aber mit Kopfhörer klar hörbar.

Tragisch: Das schöne Nußbaumgehäuse ist schwarz angepinselt worden. 

So, genug der Erzählungen, jetzt will ich fragen:

Zum Capstan: Ich weiß nicht, ob ich da was dran machen soll. So lange mir keine Gleichlaufschwankungen auffallen, sollte ich doch lieber die Finger von irgendwelchen Polieraktionen lassen, was meint Ihr?
Ist das axiale Spiel von 0,3mm akzeptabel?
Ähnliches für die schwarze Andruckrolle: Die glänzt zwar wie ein Kinderpopo, aber die Oberfläche ist völlig plan. In Ruhe lassen oder nicht...?

Bandein und -auslauf: Das mit dem Tesa scheint mir auf den zweiten Blick doch nicht so absurd zu sein: Das Band hat eine Breite von 6,35mm. Das Lager hat 6,0mm, die Rolle 6,30mm.
Ist das gut und richtig, wenn der Auslauf 0,05mm schmaler als das Band ist? Sollte der nicht besser 6,4mm sein? Oder zähle ich hier gerade Mikroerbsen?
Die Distanzscheiben für den Bandeinlauf gibt's bei ebay für 1,90 inkl. Versand. Das habe ich jetzt einfach gemacht, aber ob der mir wirklich Scheiben mit 0,15mm Dicke liefert, muss sich erst noch finden...
Ich kann mir vorstellen, dass diese Maße wichtig für eine korrekte Bandführung sind, aber welche Genauigkeit hinreichend ist, das will ich doch lieber erfragen.

Ein Problem habe ich noch mit den darklab NAB Adaptern, die mir die tollste Ehefrau der Welt noch an dem Abend bestellt hat, an dem ich mit glänzenden Augen meinen Schatz nach Hause brachte.
Mit dabei war ein Revox 601 auf Novodur mitsamt Leerspule, da liegen die Spulen exakt über Bandein- und auslauf. Ebenfalls dabei war ein TDK GX35-180BM auf NAB Aluspulen und hier liegen beide Spulen knapp 1mm zu weit innen.
Da sie auch nicht mehr so ganz plan sind, schabt das Band immer wieder hörbar an der Spule. Eine Suche nach reel spacer gab Ergebnisse von 50,- aufwärts. 50 Euro für 2 Gummischeiben?
Hat jemand einen Vorschlag, wie man das auch etwas kostengünstiger realisieren könnte?
Und selbstverständlich ist die ständige Nutzung der darklabs zwingende Notwendigkeit, vgl. dazu tollste Ehefrau ...

Herzlichen Dank für Eure Antworten!
Liebe Grüße
Frank

Jürgen Heiliger

Hallo Frank,

erstmal herzlich Willkommen hier im Forum.

=> Reel-Spacer
die preiswerteste Möglichkeit ..... nimm eine CD als Spacer, das passt.

ZitatGanz wüst: Mitten in die Frontplatte ist ein zusätzlicher Schalter reingebohrt. Dieser Schalter legt das Ch1 Signal des Aufnahmekopfes auf den Playback Verstärker. Ch1 des Wiedergabekopfes ist dann tot. Wozu das gut sein soll ist mir noch nicht wirklich klar. In welcher Situation möchte man den Aufnahmekopf als Wiedergabekopf missbrauchen??? Die Kabel vom Aufnahmekopf sind noch original, der Wiedergabekopf ist mit grauem Mikrofonkabel im 70er Jahre Look verdrahtet.

Wo für das gut sein soll, fragst Du....
Um Synchron Aufnahmen machen zu können...... bei normaler Verdrahtung käme es zu einem Zeitversatz zwischen Kanal 1 und 2 (Strecke zwischen Aufnahme und Wiedergabe Kopf)
Diese Funktion war meist den Profimaschinen vorbehalten die in der Nachvertonung genutzt wurden.
siehe dazu auch einmal dieses Foto.....

einer Telefunken M-20 Timecode
....... unten Rechts befinden sich die Umschalter um die Wiedergabe auf den Aufnahmekopf schalten zu können.... Beschriftet mit Sync


=> Capstanwelle
"sieht" nach gut gebraucht aus ist aber unbedenklich.
Andruckrolle sieht speckig aus...... hört sich nach beginnender Verhärtung an ..... gut reinigen .... eventuell mittels Schleifflies leicht anrauhen. Kommt es zu hörbaren Gleichschwankungen über Ersatz nachdenken.


=> Kaltgeräte Anschluss
Dies darf nur ein Erdloser Kaltgeräte Anschluss sein. Der Originale nannte sich auch Siemens Kaltgeräte Anschluss Staubsauger. Unter dieser Bezeichnung auch fast immer im alt-eingesessenen Elektrofachhandel zu bekommen.

Ansonsten siehe eMail.

Gruß
Jürgen

>.... liebt den guten Ton und die Musik ....<
>.... die HiFi-Classiker und die Information ....<
Unsere WIKI
Skype: juergen_heiliger

Jürgen Heiliger

Hallo Frank,

nach erfolgtem Telefonat mit Hans-Joachim erreichte mich folgende eMail.....

Zitat von: © Hans-Joachim Röhrs, aka Phonomax
das Gerät darf natürlich nicht schwingen. Nicht ausgeschlossen ist, dass tatsächlich die sicher aus Gründen der "Verbesserung des Rauschabstandes" eingepfriemelten "2NXXX" hier Ursache für das Problem sind, das vielleicht wirklich genau dann verschwindet, wenn man auf studergängige Transistoren zurückbaut. Das müssen keine BC108/109 sein, für die hatte man halt anfänglich die Schaltung konzipiert.

Die Japantypen stammen auf jeden Fall NICHT aus dem Hause Studer.
Wegen der Schwingerei des Ausgangsverstärkers empfiehlt sich bei diesem Gerät nachzusehen, ob der C812 (Miller-Integrator von Q803) in beiden Ausgangsstufen tatsächlich vorhanden ist.
Bei dieser Gelegenheit kann man dann auch gleich den R818 (10kOhm) durch einen 15kOhm-Widertand ersetzen, um die Ausgangssymmetrie (also die Gleichspannungseinstellung des Ausgangs) auf den optimalen Wert zu bringen (Messpunkt B: ca. 11V statt 14V).

Schwingen ist mir bei einer A77 nie aufgefallen, sieht man davon ab, dass im Aufnahmebetrieb natürlich vagabundierende Hf durchs Gerät geistert. Dem habe ich aber sowohl durch saubere Einstellung aller BIAS-Traps entgegengewirkt, wie die Symmetrierung meiner ORFs durch Transformatoren dem schon ab Werk soweit abhilft, dass man an den symmetrischen Nf-Ausgängen keinerlei Hf mehr hat.

Das Band darf weder im Einlaufkugellager noch beim Kopfträgerauslauf (fester Bolzenring) gezwängt werden. Das Tonband ist auf eine Breite von
6,3 mm +0/-0,06 mm spezifiziert, weshalb der Auslauf (ich weiß nicht ganz genau, welchen Wert Studer für die A77 vorgesehen hat!) wohl auf eine Weite von 6,35 mm eingerichtet worden ist. Nach einer Normangabe in anderem Zusammenhang werden für Führungen 2,5µ zugeschlagen, womit wir auf 6,325 mm kämen.
Wesentlich: Zwängungen sind nicht in Ordnung.

Wenn die Zusatzscheiben (Lager links, Andruckrolle, Auslauf rechts) tatsächlich aus Tesafilm gebastelt worden sein sollten, so ist das abartig und natürlich zu reparieren. Studer hat -wenn Kunststoff- Teflonscheiben (oben und unten) verwendet, mein A77ORF-Einlauflager hat aber unten, soweit ich mich erinnere, eine dünne Messing-Scheibe drin.

Beim bitte sehr vorsichtigen (!!!!!) Anziehen der Messingschraube des Einlauflagers muss man darauf sehen, dass die Beilagen nicht zwischen Lagerbund und Führungskappen eingeklemmt und damit beschädigt werden.
Das gilt für Teflon- und Messingscheiben gleichermaßen. Zum Thema gibt es allüberall diverse Diskussionen uns denen vielleicht auch hervorgeht, wie viele Scheiben normalerweise da und dort verbaut sind. Wesentlich ist beim Einlauflager, dass das kleine Kugellager sich frei drehen kann.

Hände weg vom Tonmotor/Tonwelle etc., auch Hände weg vom mechanischen Gefummel an der Andruckrolle. Die Andruckrolle vernünftig und liebevoll mit Spiritus zu putzen reicht. Dabei darauf achten, dass kein potenziell öllösender Alkohol ins Tonwellenlager läuft.


Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Röhrs
Gruß
Jürgen

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Ambix

Hallo Jürgen,

herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung und tatkräftige Unterstützung! Im Moment ist bei mir echt viel los, daher läuft die Revision nicht so schnell, wie ich gerne hätte. Was ich bisher erreicht habe:

Hans-Joachim hat mit seiner Aussage, dass das Band maximal 6,30 mm breit ist (und nicht 6,35 - was ich ungeprüft aus dem Internet übernommen hatte), den gordischen Knoten durchschlagen. Mittlerweile sind auch die Distanzscheiben für das Einlauflager angekommen und im Rahmen meiner Messmöglichkeiten (0,02mm Genauigkeit) passt es gut: Im Auslauf sind keinerlei Scheiben vorgesehen, der Bolzenring ist 6,3mm dick. Im Einlauf hat das Kugellager eine Dicke von 6,0mm, die beiden gelieferten Distanzscheiben (silber) haben jeweils 0,15mm, zusammen also ebenfalls 6,3mm.
Wenn für die Führung 2,5µ dazu kommt, dann ist das Sollmaß 6,3025 mm, nicht 6,325. Wirklich messen kann ich das also nicht mehr, aber auch unter der Lupe sieht das Band im Ein- und Auslauf perfekt aus. Mit dem genialen Trick der CD Scheiben sind jetzt auch alle Spulen passgenau, es schleift nichts mehr.
In der ET Liste sind zwei Teflonscheiben explizit erwähnt für die Andruckrolle. Die Scheiben für den Einlauf heißen dagegen nur "Distanzscheiben", das Material ist nicht spezifiziert.

Der Gleichlauf ist nach dem Säubern mit Isopropylalkohol für mein Gehör absolut ok, da mache ich nichts dran.

Reichelt hat BC108/9 im Metallgehäuse sowohl als B und C im Programm, BC178/9 gabs bei eBay aus Griechenland :grinser: Ich habe somit die Transistoren ganz streng nach ET Liste rückgebaut - und das Schwingen ist komplett weg.

Jetzt fehlt nur noch das ordentliche Einmessen, das nehme ich mir ab dem nächsten WE vor. Auch das wird wohl länger dauern, weil ich schon immer mal einen PC Meßplatz mit Audiotester oder Arta aufbauen wollte - das ist jetzt die Gelegenheit. Bei den vorbespielten Bändern höre ich so eine Art von Spritzelbritzel Störgeräusch hauptsächlich auf einem Kanal, ich befürchte daher, dass ich doch noch ein paar Tantals tauschen muss. Ich habe als Stichprobe für die Elkos die 1600µ aus den PB Platinen und die 125µs der Input Platine nachgemessen, die sind noch absolut in der Toleranz. Playback ist absolut brummfrei. Bedenkt, ich will restaurieren, es wird also nur das ausgetauscht, was definitiv kaputt ist  :grinser:

So viel zu meinen Fortschritten bisher, ich werde weiter berichten...
Liebe Grüße,
Frank