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Garrard 401 - Die Motorrevision

Begonnen von be.audiophil, Donnerstag, 09.August.2007 | 00:11:43 Uhr

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be.audiophil

Hallo Zusammen,

der Garrard 401 ist ein Überlebender aus einer Zeit, als z.B. in England noch deutlich über 200 Leute mit dem Bau von höchstwertigen Plattenspielern beschäftigt waren. Nein, nicht landesweit, sondern allein im südenglischen Swindon und dort in einer einzigen Fabrik - nämlich bei Garrard.



Man belieferte seit ca. 1954 neben dem BBC auch viele weitere Studios, Radiosender und HiFi-Enthusiasten mit dem Modell 301, welches ab ca. 1965 für ca. weitere 12 Jahre durch das Modell 401 abgelöst wurde. Sogar der große Yoshiaki Sugano San (Entwickler bei Supex und Gründer von Koetsu) verließ sich bei der Entwicklung und Prüfung der klanglichen Fertigkeiten seiner überragenden Tonabnehmer-Kreationen auf einen Garrard 401.

Wir haben es also immer mit einer mindestens 30 Jahre alten Motoreinheit zu tun, die zudem auch noch dem harten Studioeinsatz ausgesetzt worden sein könnte. Dementsprechend wird man heutzutage auch um ein grundlegende Überholung der maßgeblich klangbestimmenden Komponenten herum kommen.

Neben dem Tellerlager ist die Performance eines Garrard vor allem von seinem Antrieb abhängig. In diesem Beitrag wollen wir uns vornehmlich mit der richtigen Motorrevision beschäftigen.

generelle Hinweise zum Motor:

Der Motor besteht aus zwei deckelartigen Hälften, zwischen die der Stator des Motors nur eingeklemmt ist. Diese beiden Hälften werden über zwei lange Gewindestangen und insgesamt vier Muttern gegeneinander fixiert. Ich werde also im Folgenden von Motordeckeln sprechen.

Das obere Motorlager hat nur führende bzw. zentrierende Eigenschaften und benötigt in der Regel wirklich nur eine Reinigung. Das untere Motorlager hingegen stützt einerseits die Motorachse und zentriert diese. Somit ist das untere Motorlager maßgeblich für die Hochlaufzeit, den Gleichlauf und gemeinsam mit Reibrad und Motorlager für die Rumpelwerte zuständig.

das untere Motorlager zerlegen:

Das untere Motorlager eines Garrards ist vernietet (vgl. nachfolgendes Foto). Das hört sich nun auf den ersten Blick in der Überarbeitung komplizierter an, als es wirklich ist.

Hier der Blick auf das untere Motorlager mit der originalen Vernietung:



Werden die Nieten von der äußeren Seite des Motordeckels mittels 2 mm Bohrer angebohrt, so sieht man, dass Garrard hier Kupfer-Nieten verwandt hat. Sobald man deren Kopf aufgebohrt hat, kann man die restlichen Nietenteile nach innen herausschlagen. Dies kann man wahlweise mit einem geeigneten Dorn oder aber auch relativ einfach mit einem im Durchmesser passenden Stahlnagel erledigen.

Aber hierbei bitte entsprechende Vorsicht walten lassen, da der von der Innenseite des Motordeckels sichtbare obere Lagerdeckel nur aus dünnem Stahlblech besteht und nicht verbogen werden darf.

Im Lagerinneren findet sich eine Federscheibe, ein Filzring, die eigentliche Lagerhülse und an deren Unterseite eine Kugel sowie unten in den Motordeckel eingelegt ein metallener Lagerspiegel.



Bitte an dieser Stelle die originale Einbaulage der Federscheibe genau beachten, damit diese nachher beim Zusammenbau nicht falsch herum eingesetzt wird.

Die originalen Bohrungen für die Nieten besitzen einen Durchmesser von annähernd 2,5 mm, so daß man hier recht einfach ein M3-Gewinde hineinschneiden kann.

die Einzelteile des Motors reinigen:

Nun bitte alle Einzelteile des unteren Motordeckels in Waschbenzin für einige und für den festgestellten Verschmutzungsgrad ausreichende Zeit einlegen. Ich hatte schon untere Motorlager, bei denen das original verwendete Fett mit den Jahren eine eher kristalline Struktur angenommen hatte und ich den unteren Motorlagerdeckel sowie die Lagerkugel ganze drei Tage in Waschbenzin einlegen mußte, bevor ich diese wirklich sauber bekommen hatte. Den Lagerspiegel des unteren Motorlagers bitte nicht vergessen zu reinigen.

Ebenso bitte den kompletten und noch unzerlegten oberen Motordeckel und den Rotor des Motors in einem Bad aus Waschbenzin grundreinigen.

Hiernach bitte die im oberen Motordeckel befindliche Lagerhülse an Ihrer Innenlauffläche polieren. Dies kann z.B. mit einem geeigneten Poliermittel und einem Q-Tip bewerkstelligt werden. Joel Boutreux bietet hierzu z.B. auch einen Polierset an.

Ebenso bitte die untere Lagerhülse und die Rotorachsen peniblest polieren. Die Rotorachse benötigt Spiegelglanz. Die Lagerhülsen mit immer wieder einem frischen Q-Tip nach der Politur solange ausreiben, bis der Q-Tip keine nennenswerte Verfärbung der weißen Watte aufweist.



Abschließend den oberen Motordeckel und die untere Motorlagerhülse nochmals und sorgfältig mit Waschbenzin auswaschen.

den unteren Motordeckel für den Zusammenbau vorbereiten:

Wie zuvor bereits erwähnt befanden sich die aufgebohrten und herausgeschlagenen Nieten des unteren Motordeckels in 2,5 mm Bohrungen. In diese wird nun jeweils ein 3 mm Gewinde geschnitten und der untere Motordeckel anschließend penibelst ausgeblasen und nochmals in einem Waschbenzinbad ausgewaschen.

Jetzt benötigen wir noch drei 3 mm Schrauben mit wahlweise Schlitz- oder Kreuzschlitz-Kopf. Bitte vor dem endgültigen Zusammenbau überprüfen, daß die Schraubenköpfe auch flach genug ausfallen, damit der Rotor nach dem Zusammenbau und dem Klemmen von unterem und oberem Motordeckel nicht an den Schraubenköpfen schleifen kann. Keinesfalls Feder- oder Unterlegscheiben verwenden; die Schrauben maximal mit Schraubensicherungslack versehen oder eben mit Loctide flüssiger Schraubensicherung sichern. Dies ist in der Regel aber überhaupt nicht notwendig.

Beim Zusammenbau des unteren Motorlagers die originale Einbaulage der Federscheibe genau beachten, damit diese nicht falsch herum eingesetzt wird.



Der Zusammenbau des Motors erfolgt dann in umgekehrter Reihenfolge wie die Demontage.

Tips für die Inbetriebnahme:

Der wirklich fehler- und rumpelfreie Lauf des Motors kann leider erst nach Abschluß des kompletten Laufwerkzusammenbaus getestet werden. Sollte trotz sorgfältier Reinigung und Politur der Lagerhülsen etc. dennoch leichtes Rumpeln zu vernehmen sein, so löst bitte die unteren beiden Muttern, die die untere und obere Motorhälfte über die beiden Gewindestangen gegeneinander fixieren. Sitzen die beiden Gehäusehälften zu fest auf dem Stator, so brummt der Motor leicht. Somit kann die Spannung über diese beiden Muttern ohne Risiko soweit gelockert werden, bis der Motor maximal ruhig läuft.