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Aufbau eines TA-Systemes - Herleitungen für die Theorie zu Tonarmen

Begonnen von be.audiophil, Dienstag, 06.November.2007 | 10:57:56 Uhr

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be.audiophil

Hallo Zusammen,

über den kleinen "Exkurs" bzgl. Rillenmodulationen und Gravur der Schallplatte sehen wir den Bewegungsverlauf des Schneidstichels und können somit auch die von der Nadel während der Abtastung vollzogene Bewegung ableiten.

Hierzu benötigen wir jedoch noch einige Hintergrundinformationen zum technischen Aufbau eines Tonabnehmers ...

... hierzu verweise ich auf die diesbezüglich wirklich sehr informative Seite von Hr. Badenhausen

Einige bekannte Stereo-Tonabnehmer von 1958 bis heute

Übrigens findet sich bei Hr. Badenhausen zudem auch noch Die Entstehungsgeschichte der Stereoschallplatte

Für unsere weiteren Betrachtungen nutzen wir aber nachfolgende Prinzipskizze von Ortofon



oder in der räumlichen Darstellung



Wie wir aus der Gravur ableiten konnten vollführt die Nadel während des Abtastvorganges, und insbesondere bei dem Versuch der Gravur der Rille zu folgen, somit Bewegungen in horizontaler und vertikaler Richtung. Hierbei wird die Bewegung in vertikaler Richtung über die am Tonarm eingestellte Auflagekraft gehemmt.

Den Aspekt der gehemmten Bewegung in vertikaler Ebene wollen wir uns nun etwas genauer ansehen:

Wirkweisen der Auflagekraft (VTF):

Aus der Sicht des Tonarmes und bei der Betrachtung der Bewegungen im vertikalen Tonarmlager benötigen wir die Unterscheidung der unterschiedlichen Wirkweise der Auflagekraft.

Man unterscheidet hier die sog. statische und dynamische Auflagekrafteinstellung.

In der Rille der Schallplatte liegen die abzutastenden Informationen in Seitenschrift und Tiefenschrift vor. Beide "Schriften" sind sozusagen eine Berg- und Talbahn, der die Nadel mit so viel Kontakt wie nur möglich folgen soll.

Betrachten wir die Bewegung des Diamanten auf der Berg- und Talbahn der Tiefenschrift so bewegt sich die Nadel in vertikaler Richtung rauf und runter, der Nadelträger geht diese Bewegung mit und in Abhängigkeit von der über das Dämpfungsgummi mitbestimmten Compliance/Nadelnachgiebigkeit und der effektiven Tonarmmasse folgt auch das Armrohr dieser Bewegung.

Wenn sich die Nadel bedingt durch deren Einspannungspunkt im Dämpfunggummi mitsamt dem Nadelträger auf einer Kreisbahn in vertikaler Richtung bewegt, so zwingt die Rückstellkraft des Dämpfungsgummis die Nadel zwar immer wieder in deren über die Auflagekraft sozusagen "vorgegebene" Position auf dieser Kreisbahn, die hierbei auftretenden Momente im Dämpfungsgummi führen aber auch dazu, daß auf den Korpus des TAs eine Kraft in vertikaler Richtung nach oben wirkt. Und genau diese Kraft führt dazu, daß eine ähnlich große Kraft in vertikaler Richtung nach oben auf das Armrohr wirkt und dieses sich während des Abtastvorganges ebenfalls in vertikaler Richtung bewegt. Diese Bewegung ist wesentlich weniger sichtbar, wie die horizontal auf einer Kreisbahn ausgeführte Bewegung von der Einlauf- zur Auslaufrille - aber trotzdem vorhanden.

Wegen dieser beschriebenen Bewegung des Diamanten und dem Trägheitsmoment des Armrohres ändert sich bei von außen vorgegebener statischer Auflagekraft die relativ auf die Nadel wirkende Auflagekraft während der Abtastung ständig.

Am besten kann man sich dies vorstellen, wenn die Nadel gedanklich in der Rille einem Bergaufstück folgen läßt. Ist diese an der Kuppe angekommen, beginnt in der Rille das Bergabstück. Diesem Bergabstück kann die Nadel aber nicht sofort folgen, da einerseits die Massenträgkeit das zuvor nach oben bewegte Armrohr kurzzeitig in der oberen Position behält. Somit reduziert sich genau in diesem Zeitpunkt die auf die nadel wirkende Auflagekraft und die Rückstellkräfte des Dämpfungsgummis ziehen den Nadelträger ruckartig in dessen Normalstellung zurück. Dieser Effekt wirkt wie ein Trampolin auf das Armrohr und das Armrohr wird weiter nach oben gestoßen. Die Auflagekraft sinkt weiter ab und die Abtastverzerrungen nehmen zu.

Genau dies passiert übrigens und mit dann sozusagen fast an ein Katapult  erinnernden Ausmaßen, sobald die Resonanzfrequenz aus der Kombination Tonabnehmer und Tonarm erreicht wird. Dann springt die Nadel aus der Rille.

Bei einer dynamisch wirkenden Auflagekraft hingegen, sorgt z.B. eine rückstellend wirkende Federkraft dafür, daß das Trägheitsmoment des Armrohres "vollständig" kompensiert und in Abhängigkeit von der Federspannung eine zusätzliche und das Trägheitsmoment des Armrohres überwindende Rückstellkraft in vertikal nach unten wirkender Richtung wirkt.

Sobald wir z.B. eine verwellte Schallplatte abzutasten versuchen, verstärkt sich dieser Effekt natürlich zusätzlich.

Down Force:

Zusätzlich zu der über die eingestellte Auflagekraft, die eine vektorielle Kraft auf die Nadel nach unten darstellt, wirkt zudem die sog. down force auf die Nadel:



Diese Kraft entsteht, wenn die Nadel des Tonabnehmers mit der Platte nicht in der selben Ebene Kontakt hat, in der das horizontale Tonarmlager  liegt. In Verbindung mit der parallel zum Tonarm wirkenden Reibungskraft beim Abspielen (also der auf die Nadel wirkende Zug) resultiert dann eine zusätzliche Kraft auf den Tonarm, die nach unten wirkt - die sog. down force

Die Entstehung hat genau die gleiche Ursache wie die der Skating-Kraft. Die Vektoraddition der Kraftvektoren führt zu dem Kraftvektor der "down force".

in diesem Zusammenhang weiterführende über die AES erhältliche Artikel:

-> Kantrowitz, Philip, "High-Frequency Stylus-Groove Relationships in Phonograph Cartridge Transducers", JAES Volume 11 Number 3 pp. 250-262; July 1963

-> Keisuka Ikegami and Susumu Hoshimi, "Advance in Turntable and Tone-Arm Design", Journal of the Audio Engineering Society, May 1976, Vol. 24, No. 4, pp. 276-280

-> Peter Rother, "The Aspects of Low-Inertia Tone-Arm Design", Design", Journal of the Audio Engineering Society, September 1977, Vol. 25, No. 9, pp. 550-559.

-> Poul Ladegaard, Bruel & Kjaer , "Audible effects of mechanical resonances in turntables", presented at the AES Convention New York 1977

-> Henning Moller, Bruel & Kjaer,  Multi Dimensional Audio - hier insbesondere Pkt. 5

be.audiophil

Hallo Zusammen,

an dieser Stelle holen wir zuerst noch einmal etwas aus, und betrachten weitere während der Abtastung auftretende und auf den ersten Blick nur vom Nadelschliff verursachte bzw. abhängige Effekte.



Hier noch kurz eine weitere die Schliffpositionen erklärende Abbildung der Fritz Gyger AG



In Hans Goddijns "Die Diamantnadel in Ihrem System" z.B. finden wir die für uns hilfreichen und nachfolgend abgebildeten Skizzen:

In Abhängigkeit vom Verrundungsradius (mitunter auch fälschlich als Nadelschliff bezeichnet) eines Diamanten taucht eine Diamantnadel tiefer oder eben weniger tief in die Schallplattenrille ein. Dies gilt zumindest als allgemein bekannt und nicht weiter diskussionswürdig.

Allerdings betrachtet diese Aussage einzig und allein die die Auswirkungen auf die Abtastung der Tiefenschrift. Somit ist eine derart limitierte Betrachtungsweise leider heutzutage bzw. seit Bestehen der Microrille nicht mehr zielführend. Sie ist sozusagen nur die halbe Wahrheit.



Obiges Bild zeigt eine konische/ sphärische Abtastnadel in einer Rille. Auffalend ist, daß eine elliptische Nadel den Hochtonimpulsen deutlich besser und präziser folgen kann, als die konisch verrundete Nadel.

Die nun folgenden Abbildung verdeutlichen diesen Effekt und zeigen noch ein weiteres Manko der Abtastung mit großen Verrundungsradien auf.



Die Abtastung von rechter und linker Rillenflanke geschieht nicht mehr parallel bzw. zeitversetzt. Eine zu den Höhen hin ansteigende Phasenverschiebung ist die Folge.

Hierbei haben wir bislang weder die Auswirkungen der zuvor beschriebenen Variation der Auflagekraft berücksichtigt, noch den Umstand, daß die Nadel bei dem Versuch, der Seitenschrift zu folgen, über den Nadelträger und somit über die Federkonstante der Aufhängung im Tonabnehmersystem abhängig noch zusätzliche horizontale Kräfte auf das Armrohr ausübt.

Dazu aber später mehr ...

Armin777

#2
Hallo Rolf,

sehr anschaulich und ausführlich.

Die Erklärung mit diesem Bild hier:



kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Es erklärt zwar eindeutig die Vorteile der elliptischen Nadelform, wie aber
bitteschön eine solche Rille hergestellt werden soll, ist mir völlig unerklärlich!!! Der Stichel der Plattenschneidemaschine ist doch, wie ein Abtastsystem von zwei Spulen angetrieben. Wie kann dann die eine Seite kurze Hochtonimpulse schneiden, während die andere Seite völlig ruhig in der Spur bleibt? Der Stichel ist doch mechanisch ein Stück Material!

Das Bild soll sicher nur den Vorgang verdeutlichen - ist aber so nicht möglich , oder doch?

Ok, Ok, - habe  nunmehr den Thread über die Rillenentstehung gelesen und wohl falsch Vorstellungen von den Stichelbewegungen gehabt - es ist also durchaus möglich! Habe also keine Fragen mehr. habe fertig!  .,10


:drinks:

Jürgen Heiliger

#3
Hi Armin,

hier auch mal eine Mikroskopaufnahme einer solchen Plattenrille.....



Übrigens findet man im dem Thread *die Langspielplatte wird 75* in Antwort 2 auch entsprechendes zu den verschiedenen Schneideverfahren der Platte.
Gruß
Jürgen

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beldin

Wieder Informationen ohne Ende!
Klasse gemacht! Solche Beiträge gibt es nur hier....
Liebe Grüße

von beldin .,73